Der Trump-Coin: Digitale Spielerei, Korruption – oder mehr?

Keine Kommentare Lesezeit:

Im chaotischen Dschungel der Kryptowährungen entstehen neue Token oft mit mutigen Versprechungen, aber wenig Substanz – sogenannte Meme-Coins. Der vieldiskutierte Trump-Coin – vom Umfeld des neuen US-Präsidenten kurz vor seiner Amtseinführung eingeführt – könnte aber ein echter Game-Changer sein. Ein neutraler Blick auf das strategische Potential.

Von Dr. Michael Raumann

Gemeinhin wird der TrumpCoin ($TRUMP) als dreiste Geldmacherei kritisiert. Geldmacherei – das wird es sicherlich auch sein. Und wie: Bis einen Tag vor seiner Amtseinführung stieg die Trump-eigene Kryptowährung innerhalb weniger Tage auf über 70 Milliarden Dollar Marktbewertung (und sank seit dem auf rd. 15 Milliarden zum Tag dieser Veröffentlichung). Am heutigen Tage steht der Trump-Coin bei rund 36 Dollar. Dass er auf 100.000 Dollar steigen könnte, wie Elon Musk spekulierte, halte ich für nicht unmöglich.

Denn für alle, die der Ansicht sind, der Trump-Coin hätte über Geldmacherei darüber hinaus keinen echten Nutzen oder Gegenwert – hier einige Gedankenanstöße. Das Phänomen impliziert zugleich eine ganz neue Dimension des “Deal-Makings”, wenn nicht sogar das Geldsystems. Warum?

Das Konzept: Loyalität auf der Blockchain

Zunächst zum technologischen Hintergrund. Beide Coins laufen auf der Solana-Blockchain, die alles transparent macht: Jede Adresse, jedes Wallet und jede Transaktion sind öffentlich sichtbar (zumindest pseudonymisiert). Jeder kann also sehen, welche Adresse wie viele dieser Coins besitzt.

Dr. Michael Raumann ist Unternehmer im Kryptobereich und gehörte bereits in der Frühzeit zu den ersten Investoren in Bitcoin. Er ist regelmäßiger Gesprächspartner und Kommentator zu Themen aus der Kryptowelt bei DDW

Und hier ist die Wendung. Stellen Sie sich ein entscheidendes Meeting, eine mögliche Zusammenarbeit oder eine Verhandlung mit hohem Risiko vor. Dann fragt jemand: „Wie lautet Ihre Solana-Adresse?“ Diese einzelne Frage könnte die gesamte Dynamik verändern. Denn es kann zeigen, wer wirklich an die Vision des “Deal-Partners” glaubt – dargestellt durch diese Münze. Keine Münzen im Portemonnaie? Das ist ein implizites Signal von Desinteresse oder Skepsis. Ein potenzieller “Dealbreaker”.

Ob es um ein Business-Meeting, politische Verhandlungen oder andere Partnerschaften geht, der Coin könnte signalisieren: „Ich glaube an Dich.“ Und wer keinen solchen Coin hält, zeigt automatisch, dass er keinen Wert in diese Beziehung oder Vision sieht. Wenn ich sehe, dass die Person oder das Unternehmen, das mit mir sprechen möchte, nicht einen einzigen dieser Coins hält – warum sollte ich meine Zeit in sie investieren?

Was sind Meme-Coins?
Meme-Coins sind weit mehr als nur lustige Bilder – sie sind kulturelle Phänomene, die Geschichten erzählen, Trends setzen und sogar Finanzmärkte beeinflussen. Von Dogecoin (DOGE), der als Witz begann und heute Namensgeber einer US-Regierungseinrichtung ist, bis zu  Shiba Inu (SHIP) oder Pepe Frog (PEPE): MemeCoins bewegen Massen und haben es zu gigantischen Milliardenbewertungen geschafft. Sie sind manchmal scherzhafte Coins, die humorvolle oder auch tiefgründige Kommentare zu Finanzsystemen und Technologien auf den Punkt bringen, setzen auf Sportthemen oder, wie Fart Coin (FARTCOIN) oder SackRat (SACK), auf frivole Memes. Zehntausende solcher zumeist völlig wertlosen und sehr volatilen Scherz-Coins gibt es – und täglich kommen hunderte neue hinzu. Die Gefahr, schneller Geldmacherei aufzuliegen (“Pump and Dump”) geht dabei einher von möglichen gigantischen Kurszuwächsen, wenn ein Coin ein “Hype” für Massen wird. Mehr zum Thema

Ist das Korruption?

Auf diese Weise wird die Blockchain zu mehr als nur einem Hauptbuch – sie wird zu einem Spiegel, der Absichten und Prioritäten widerspiegelt. Ein Coin also als Instrument der Glaubwürdigkeit und Priorisierung. Das könnte nicht nur für individuelle Interessen oder geschäftliche Aktivitäten gelten. Sondern auch für Staaten oder Organisationen: Ein Staat oder eine andere Nation, die strategische Partnerschaften sucht, könnte Coins kaufen, halten oder verkaufen. Dies könnte als subtiler Beweis der Unterstützung dienen – oder eben des Desinteresses.

Meme-Coins fungieren damit als Werkzeug, um Glauben, Engagement und Prioritäten sichtbar zu machen. Auf der eigenen Seite des Trump-Coins wird davon gesprochen, dass er “Ausdruck der Unterstützung der Ideale und Überzeugungen, die vom Symbol “$TRUMP” verkörpert werden” sei. Zustimmung oder Ablehnung werden damit messbar, Zeitgeist quasi monetarisiert.

“Wer dieses Werkzeug beherrscht, hat das Potenzial, Macht auszuüben”

Dies wirft natürlich größere Fragen auf: Wie viel Einfluss könnte ein solches System haben? Öffnet es der Korruption Tür und Tor? Oder könnte es tatsächlich als neues Verhandlungs- und Einflussinstrument dienen? Anthony Scaramucci, Hedgefondsmanager und ehemaliger Trump-Sprecher im Weißen Haus, warnt: „Jede Gefälligkeit – geopolitisch, unternehmerisch oder persönlich – steht jetzt zum Verkauf, und zwar in aller Offenheit.“

Der Trump-Coin: Mehr als nur eine Spielerei?

Im Falle des Trump-Coins kommen noch andere Dimensionen dazu. Trump (bzw. seine Unternehmen) halten ja 80 Prozent aller Trump-Coins, nur der Rest ist im freien Markt. Er könnte Gesetze erlassen, dass digitale Krypto-Werte in der Bilanz aufgeführt werden dürfen und damit wertgesichert werden. Die US-Börsenaufsichtsbehörde SEC unter Gary Gensler stand noch dagegen. Nach Genslers Rücktritt ernannte Präsident Donald Trump den Republikaner Mark Uyeda zum neuen SEC-Vorsitzenden. Dieser sprach sich bereits für eine Neuausrichtung aus, um Kapitalbildung und Innovation zu fördern und betonte die Notwendigkeit klarer Regeln für digitale Vermögenswerte und einer weniger restriktiven Regulierung.

Zudem ist aus dem Trump-Unternehmens-Umfeld bereits angekündigt, dass in Zukunft weitere Coins folgen sollen, die dann als offizielle Trump-Währung von der SEC reguliert und genehmigt werden könnten. Faktisch druckt er damit sein eigenes Geld.

Oder nehmen wir das gerade von Trump angekündigte 500-Milliarden-Dollar-KI-Projekt “Stargate”. Der Coin könnte direkt in bestehende Kontrollmechanismen integriert werden.

Eines wird klar: Wer dieses Werkzeug beherrscht, hat das Potenzial, Macht auszuüben, sowie Entscheidungen und Ergebnisse zu beeinflussen.

Vorboten einer neuen Dimension der Interaktion

Man tut jedoch gut daran, seinen Blick von den lediglich und vermeintlich negativen Aspekten zu weiten und den Trump-Coin als Phänomen und Vorboten einer neuen Dimension der Interaktion zu begreifen. Die Schnelligkeit und Einfachheit, mit der Coins veröffentlicht werden können, wirft ein Schlaglicht auf viele, auch positive denkbare Anwendungen. Denn das sich rasant entwickelnde Krypto-Ökosystem ermöglicht es bereits heute quasi jedem, blockchainbasierte und damit transparente Coins in Windeseile zu erstellen – im großen und bedenklichen Stil wie bei Trump, aber eben auch bei vielen denkbaren unternehmerischen oder gesellschaftlichen Anwendungen.

Wir stehen bei all diesen Entwicklungen noch am Anfang. Neue, bisher unvorstellbare Perspektiven tun sich auf – in ebenso bedrohlicher wie faszinierender Weise.

Mehr zum Thema:

Bild oben: Meme-Bild des Trump-Coins

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Language