Veränderung ist keine TO‑DO‑Liste

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Der Einzige, der schon als Held geboren wurde, ist Superman, aber der muss auch kein Unternehmen führen. Krempeln wir die Ärmel hoch und stürzen uns in die Arbeit, das Abenteuer und die Schmerzen. Jetzt bist du gefragt. 7 Aufgaben stehen vor dir.

Von Frank Dopheide

Das Schicksal hat euch, uns, dich auserwählt. Wie bei den berühmten Vorkämpfern Luke Skywalker, Jeanne d’Arc oder Bilbo Beutlin liegt plötzlich alle Last der Welt auf deinen Schultern. Du bist gefordert, dein Unternehmen, deinen Bereich oder dich selbst in die Zukunft zu führen. Wie die Helden im Film fühlt sich jeder überfordert und versucht, dem Unvermeidlichen und den Schmerzen aus dem Weg zu gehen. Dabei lehren uns Geschichte und Hollywood: Es kommt niemand, um uns zu retten; das müssen wir schon selbst tun. Es gibt allerdings in jeder Geschichte Verbündete, innere Stärke, viele Prüfungen, das Tal der Tränen und schließlich, ganz am Ende, das Happy End. Die Welt ist voller Menschen, die vom Schicksal auserwählt wurden und über sich hinausgewachsen sind, um es mit scheinbar unbesiegbaren Mächten, wie in unserem Fall Investoren, Medien, Betriebsräten, NGOs oder internen Zynikern, aufzunehmen und die Welt ein Stückchen heller zu machen.

Jede Heldengeschichte beginnt mit dem »Calling«: Das Schicksal, der Killer oder die Krise klopft an die Tür. Wie in Hitchcocks Die Vögel spüren wir: Es braut sich etwas zusammen. Lange bevor es uns trifft. Das gilt auch in der Geschäftswelt. Nur: Wer im Hamsterrad rennt, bekommt davon nichts mit. Das Gespür geht verloren.

Aufgabe eins

Sorge dafür, dass all deine Instinkte und Sinne auf Empfang geschaltet sind. In deinem Eckbüro wirst du blind und taub. Vernetze dich mit dem wahren Leben, dem echten Kunden und den Generationen X, Y und Z. Und lass kritische Stimmen an dich heran. Du musst umgehend raus aus deiner Filterblase. Wenn die Veränderungen kommen, werden sie massiv sein. Freu dich. Dann ist es so weit: Der glorreiche Moment steht vor dir. Jetzt kannst du deinem Namen »Entscheider« alle Ehre machen.

Aufgabe zwei

Über das Leben außerhalb der Effizienzfalle oder warum wir mit unserem Lebenspartner kein Jahresgespräch führen sollten: Das Buch von Frank Dopheide ist im Ullstein Buchverlag erhältlich

Die kleine Lücke zwischen Reiz und Reaktion ist der große Augenblick, in dem du alles verändern kannst. Höre einfach auf deinen Bauch, folge deinem Verstand, nimm dein Herz in die Hand und spring – raus aus der Routine und hinein in die neue Gedankenwelt. Das verlangt mehr Entscheidungskraft als je zuvor. Das Zeitalter der kleinen Fortschrittchen ist jetzt wirklich vorbei. Auf der alten Strecke kommen du und dein Unternehmen doch keinen Schritt mehr weiter. Die allseits beliebte evolutionäre Entwicklung des Unternehmens ist zu langsam für die sprunghafte Entwicklung der Welt. Das Matroschka-Business – wir zaubern aus dem alten Produkthut stets das nächstkleinere gleichförmige Produkt hervor – ist ausgereizt. Welcome to the world of bold moves.

Aufgabe drei

Brich mit alten Vorstellungen, Erfolgsrezepten und Gewohnheiten. Bevor du neue Ideen entwickeln kannst, musst du die alten aus dem Kopf schieben. Vor dem Upskilling kommt das Unlearning. Schaffe dir auch gedanklich Raum für Neues. Und das beginnt schon mal bei dir selbst und deinem Kalender. Die Zukunft beginnt zwar erst morgen, aber sie braucht heute schon deine Aufmerksamkeit. Daily business is not your business. Als Vorarbeiter bist du auch deiner Zeit voraus und lebst, denkst und arbeitest in der Zukunft. Also buche dir Denkzeit, ohne Meetings, ohne Mails, ohne Plan. Erschreckend, aber wirkungsvoll. Beginne mit einer NOT‑TO‑DO Liste. Jeff Bezos konzentriert sich ganz auf Einbahnstraßen-Entscheidungen, bei denen es keine Umkehrmöglichkeit gibt. Alles andere wird nach unten delegiert, was die Entscheidungs-Geschwindigkeit erhöht. Also: Weniger entscheiden, aber besser. Denn die Entscheidung ohne Umkehr braucht mehr Zeit, mehr Tiefe und mehr Ruhe. Sie muss reifen.

Aufgabe vier

Verändere deine Jobbeschreibung. »Manager« war gestern. Wir hängen den Begriff neben den Generaldirektor ins Museum für Wirtschaftsgeschichte. Delegiere klassische Kontrollaufgaben mit Wiedervorlagemappe eine Ebene nach unten, damit jemand die Prozesse in Gang hält. Du hast jetzt Wichtigeres zu tun: Du musst das innere Vermögen deines Unternehmens aktivieren. Hebe Deinen Blick von der Excel-Tabelle auf die Mitarbeiter. Folgen dir die Menschen, dann folgen auch die Zahlen.

Aufgabe fünf

Bringe Menschen zum Wachsen und mache dein Unternehmen so 27 Prozentpunkte intelligenter. Den »Pygmalion-Effekt« nennt das die Wissenschaft. Erwartung treibt Ergebnis. Bob Rosenthal ist schon 1963 in Havard diesem Phänomen auf die Schliche gekommen. Der junge Psychologe baute zwei Rattenlabyrinthe, bat Studenten, die Ratten durch das Labyrinth zum Ausgang zu leiten, und stoppte die Zeit. Alles war gleich – Ratten, Labyrinth, Stoppuhr. Der einzige Unterschied war das Schild am Rattenkäfig: hier »intelligent«, dort »doof«. Und siehe da, das Schild wurde zur selbst erfüllenden Prophezeiung. Die angeblich schlauen Ratten lösten die Aufgabe doppelt so schnell. Völlig unerklärlich, bis Rosenthal erkannte: Es ist die Hinwendung, die Erwartung und die Kommunikation, die einen gewaltigen Unterschied macht. Denke ich, die Ratte ist klug, verhalte ich mich anders. Mich erstaunt das keineswegs, schließlich bin ich mit Lassie, Flipper und Black Beauty groß geworden, also waren schlaue Tiere damals normal. Wie Amerikaner sind, übertrugen sie diese Versuchsanordnung gleich auf Kinder. Ein Intelligenztest durch Lehrer mit angeblich talentierten und untalentierten Schülern (per Münzwurf zugelost) führte zu spektakulären Ergebnisunterschieden. Die angeblich talentiertesten Schüler machten die größten Intelligenzsprünge: um – Achtung! – 27 Prozent. Die Kraft der positiven Erwartung verändert Verhalten, Tonalität und Hinwendung und sorgt so für ein sprunghaftes Wachstum der Fähigkeiten und Ergebnisse. Schreiben wir uns das hinter die Löffel. Ein Wundermittel gerade in Momenten massiver Transformation und immensem Veränderungsdruck. Viktor Frankl, den ich nicht oft genug zitieren kann, empfiehlt: »Blicken Sie auf einen Menschen nicht, wie er ist, sondern wie er sein könnte; damit bringen Sie ihn zum Wachsen und machen ihn besser.« Das alles verbindende Element dafür ist die Kommunikation.

Aufgabe sechs

Nicht nur das Was und Wie, sondern auch das Wie viel ist entscheidend. Beim Volkstrauerspiel, dem 0:6 der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien, damals im November 2020, haben wir den Unterschied gesehen und gehört. Vor leeren Rängen war jedes Wort zu verstehen, aber nur von den Spaniern. Die Deutschen haben sich wortlos ihrem Schicksal ergeben. Das Gesetz des grünen Rasens gilt auch im Büro. Wer schneller, besser, klarer und mehr kommuniziert, kann sich die Bälle besser zuspielen, Lücken schließen und Räume öffnen. Dabei zählt nicht nur das gesprochene Wort. Du selbst in deiner gesamten Persönlichkeit wirst zum Medium. Die Menschen sehen, hören und spüren, was du sagst und wie du es tust. Der VorGESETZTE wurde Mitarbeitern vor die Nase gesetzt. Das Modell der Zukunft ist intelligenter konzipiert. Das VOR bleibt, aber das, was danach kommt, wird variabel. VorDENKER, VorREITER, VorBILD ist eine erfolgversprechende Schrittfolge.

Aufgabe sieben

Hole das Unlogische, Spielerische, Unerwartete zurück ins Unternehmen und in deinen Kopf. Damit vergrößerst du den Möglichkeitsraum für jede Zukunftslösung um ein Vielfaches. Möglicherweise hat Gott sich etwas dabei gedacht, als er dir zu deiner logischen, linken Gehirnhälfte auch noch eine rechte gegeben hat. Sie befähigt dich zu Kreativität, Empathie und Emotion. Und dass sie genauso groß ist, hat vermutlich auch einen Grund. Lass sie nicht ungenutzt. Auch wenn du auf dem Chefsessel sitzt. Ersticke nicht unter der Last deiner Aufgabe und deiner Ernsthaftigkeit. Wahre Könner bewahren stets ihre Leichtigkeit – auf dem Fußballplatz, am Konzertflügel oder auf der Hauptversammlungsbühne. Schaffe etwas Neues von Wert für unsere Welt. Gott ist kein Controller. Er ist ein Kreativer. Und vermutlich ist er eine Sie.

Mehr von Frank Dopheide bei DDW:

Frank Dopheide war u.a Chairman von GREY Worldwide sowie CEO der Handelsblatt Media Group. 2020 gründete der die Purpose-Agentur human unlimited. https://humanunlimited.de/

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