
Es wäre so einfach: Wachstumstreiber Zuversicht
Nach vorne gerichtete Entscheidungen sind von Erwartungen geprägt. Je klarer und zuversichtlicher diese sind, umso eher wird eine Investitions- oder Konsumentscheidung getroffen. Derzeit sind in Deutschland ein historisch hohes Ausmaß an Verunsicherung sowie schlechte Unternehmenserwartungen zu erkennen.
Von Prof. Dr. Hubertus Bardt und Prof. Dr. Michael Grömling
Ohne eine gestärkte und auf reale Verbesserungen begründete Zuversicht wird eine notwendige Erholung schwer zu erreichen sein. Vor diesem Hintergrund haben Professor Dr. Hubertus Bardt und Professor Dr. Michael Grömling vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) analysiert, welche Veränderungen bei den Unternehmen in Deutschland mehr Zuversicht hinsichtlich ihrer aktuellen Geschäftstätigkeit schaffen würden.
Im Rahmen der IW-Konjunkturumfrage vom Frühjahr 2025 wurden den gut 2.000 Unternehmen 14 Einflussgrößen für ihre mögliche Zuversicht zur Bewertung vorgegeben. Die Ergebnisse:
- Für mehr Zuversicht sorgt demnach eine grundlegende Entlastung von Bürokratie und Regulierungen. Drei Viertel der Unternehmen erwarten einen starken Einfluss auf ihre Zuversicht und weitere 22 Prozent einen moderaten Effekt.
- Für zwei Drittel der Unternehmen hätte eine moderate Entwicklung der Arbeitskosten einen starken positiven Effekt auf ihre Stimmung. Für weitere 31 Prozent ginge das mit einem moderaten Zuversichtseffekt einher.
- Nahezu alle Unternehmen geben an, dass der allgemeine Kurs der Wirtschaftspolitik starken (61 Prozent) oder moderaten (31 Prozent) Einfluss auf ihre Zuversicht hat.
- Hohe Zustimmungswerte erreicht staatliches Handeln für langfristig wettbewerbsfähige Energiepreise, für eine investitions- und innovationsorientierte Steuerpolitik und für einen verbindlichen Kurs der Transformationspolitik.
- Fast die Hälfte der Firmen nennt verbesserte Exportaussichten nach Asien und die USA als Einflussgröße für mehr Zuversicht, knapp ein Fünftel der Befragten sogar in einem starken Ausmaß. Deutlich wichtiger sind bessere Exportaussichten in Europa, dem Hauptmarkt deutscher Exportfirmen.
- Auch eine Stabilisierung der internationalen Liefer- und Produktionsbeziehungen würde sich für fast vier von fünf Unternehmen in positiver Weise (stark und moderat) auf die Zuversicht hinsichtlich ihrer eigenen Geschäftstätigkeit auswirken.
Unterschiede stellten die Studienmacher in den verschiedenen Segmenten fest:
◼ Für die befragten Industrieunternehmen schaffen verbesserte Absatzperspektiven im Ausland mehr Zuversicht hinsichtlich der eigenen Geschäftstätigkeit im Vergleich mit der Gesamtwirtschaft. Das gilt für die USA und Asien annähernd gleichermaßen, für Europa nochmals stärker. Stabile internationale Liefer- und Produktionsbedingungen sind für die Industriefirmen aufgrund der im sektoralen Vergleich erheblich höheren Vorleistungsverflechtung sichtbar bedeutsamer. Auch das Argument „langfristig wettbewerbsfähige Energiepreise“ ist für die Zuversicht der Industriefirmen wichtiger als für die beiden anderen Wirtschaftsbereiche.
◼ Bei den Dienstleistungsfirmen gibt es nur eine nennenswert nach oben abweichende Einschätzung im Vergleich mit der Gesamtheit der Unternehmen. Das wären verbesserte Finanzierungsbedingungen. Dieses Argument ist gleichwohl auf gesamtwirtschaftlicher Ebene keine vorrangige Einflussgröße für eine höhere Zuversicht in deutschen Unternehmen. Im Dienstleistungssektor spielen die internationalen Argumente aufgrund der oftmals regionalen Orientierung eine deutlich untergeordnete Rolle. Der überschaubare Befund zur Konsumerholung liegt am Einfluss der unternehmensnahen Dienstleister. Für den Handel hat dieses Argument allerdings eine erheblich höhere Wirkung auf die Zuversicht.
◼ Wie in der Industrie gibt es auch in der Bauwirtschaft bei einer Reihe von Einflussfaktoren eine ausgeprägte Abweichung nach oben. Beim allgemeinen Kurs der Wirtschaftspolitik, bei der Überwindung der Investitionskrise und bei den Finanzierungsbedingungen beträgt die Abweichung zum gesamtwirtschaftlichen Wert rund 10 Prozentpunkte. Bei der effizienten Umsetzung der beschlossenen Sonderprogramme für Investitionen und Verteidigung sind es sogar fast 15 Prozentpunkte. Des Weiteren gehen die Baufirmen davon aus, dass eine investitions- und innovationsorientierte Steuerpolitik sowie eine grundlegende Entlastung bei Bürokratie und Regulierungen für starke Zuversichtseffekte sorgen sollten.
Hohe Unsicherheit und niedrige Erwartungen
Die wirtschaftliche Entwicklung ist von zahlreichen Faktoren abhängig. Alle nach vorne gerichteten Entscheidungen, insbesondere über Investitionen oder den Kauf langlebiger Konsumgüter, sind von den Erwartungen hinsichtlich der Zukunft geprägt. Je klarer und optimistischer diese Erwartungen sind, umso eher wird eine Investitions- oder Konsumentscheidung getroffen, wodurch ein Wachstumsprozess unterstützt werden kann. Je unsicherer die Aussichten sind und je pessimistischer die Akteure, umso eher kommt es zu Attentismus und einer abgebremsten wirtschaftlichen Entwicklung.
Die inzwischen langanhaltende Stagnation in Deutschland hat unterschiedliche Ursachen. Dazu zählen verschlechterte Standortbedingungen wie insbesondere hohe Energie- und Regulierungskosten, zunehmender Protektionismus für den exportorientierten Teil der Industrie und die hohen Transformationslasten, die vor allem die Automobilindustrie betreffen und bestehende Wettbewerbsstärken entwerten. Diese originär wirtschaftlichen Faktoren wurden in ihrer bremsenden Wirkung verstärkt durch eine Wirtschaftspolitik, die von den Unternehmen als zunehmend behindernd und die eigenen Probleme nicht ernstnehmend aufgefasst wurde. Die neue Bundesregierung in Deutschland hat neben den substanziellen Reformen also auch die Aufgabe, durch zielgerichtete Schritte eine Atmosphäre der Zuversicht zu schaffen.
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