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Warum uns die Werbung Märchen erzählen muss

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Wie kommt es, dass manche Werbung uns an die Couch fesselt, während andere uns nicht einmal hinter dem Ofen hervorlockt? Werber scheinen vergessen zu haben, wie bewegendes Geschichtenerzählen funktioniert. Dabei stecken in guten Werbegeschichten die modernen Märchen unserer Zeit. Von Ines Imdahl, Gründerin und Inhaberin der Marktforschungsagentur rheingoldsalon.

Bücher zur Werbewirkung gibt es eine Menge. Und vielleicht heißen sie auch zu Recht Sach- bzw. Fachbücher. Sie beschäftigen sich mit der AIDA Formel und wollen mit Zahlen, Statistiken und Algorithmen zeigen, wann Werbung erfolgreich ist. Das kann durchaus interessant sein, lässt aber zentrale Ebenen der Werbewirkung aus. Bei der Sache zu bleiben heißt eben nicht selten, das Emotionale und das Seelische zu übersehen. Das fängt schon mit dem Nervigen an. Kaum einmal wird berücksichtigt, warum und wann Werbung nervt. Ist das wirklich immer die Werbung an sich oder doch eher die Häufigkeit? Genauso wenig wird hinterfragt, warum eine Werbung uns wirklich bewegt – jenseits dessen, dass wir uns einfach gut an sie erinnern können –, und warum nicht. Ob wir uns etwas merken, hat aber fast immer damit zu tun, wie relevant es in seelischer Hinsicht für uns ist. Und weniger damit, wie oft wir es eingetrichtert bekommen. Das wissen wir schon von Lateinvokabeln oder Matheformeln aus der Schule.

Gute Werbung sollte Geschichten erzählen, die uns faszinieren, die uns fesseln, über die wir schmunzeln, die wir weitererzählen oder in der heutigen medialen Welt eben liken, posten und twittern.

Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, dass die Werbung nicht weiß, wie das Geschichtenerzählen funktioniert. Und dass sie auch vergessen hat, dass die Menschen es schon immer getan haben. In Form von Mythen, Fabeln und Märchen. Von Mund zu Mund und Generation zu Generation. Geschichtenerzählen ist eine seelische Grundtätigkeit. Und in der Zeit der modernen Medien könnten sie in noch schillernderer Form erzählt werden. Visuell und sinnlich, als Film im TV, im Kino, im Netz oder als Bilder in Zeitschriften und auf Plakaten in den Städten. Denn auch ein Bild sagt mehr als 1.000 Worte.

Die Werbung als Märchengeschichte zu begreifen, zeigt, wie viel mehr möglich wäre. Wie wunderbar und wundervoll die Werbewelt sein könnte, jenseits von oberflächlichen Glitzerwelten. Wie und warum uns WerbeWunder-Welten berühren, können wir jedoch genauso wenig unmittelbar in Worte fassen wie bei den Märchen. Wir erahnen eher, was uns bewegt.

Märchenanaloge Prinzipien in der Werbung

Wirklich gute Werbung, will nicht nur verkaufen, sie umwirbt uns als Menschen und nimmt uns in unseren Empfindungen ernst. Und sie versucht uns und unser Seelenleben zu unterhalten. Anders formuliert, es mit Botschaften und Aussagen zu füttern, die uns Spaß machen und dennoch so ernst sind, dass wir unsere Lebensverhältnisse aufgegriffen und verstanden wissen.

Nicht selten nutzt diese wirksame Werbung, unbewusst märchenanaloge Prinzipien. Mal im Kleinen, wie bei den Claims; mal umfänglicher, wenn Bilder uns in ihren Bann ziehen oder essenzielle Lebensverhältnisse und seelische Dramen angesprochen werden. Dann kann unser Kopf oftmals nichts ausrichten. Gegen diese fesselnden Prinzipien sind wir machtlos, und wir wollen es auch gern sein. Sobald wir uns wirklich umworben fühlen, fühlen wir uns verstanden und wahrgenommen. Im richtigen Leben wie in der professionellen Werbung.

Märchenanaloge Prinzipien können Werbung zu fesselnden kleinen Geschichten machen. Dann nervt uns Werbung nicht. Und erstaunlicherweise fühlen sich dann auch viel weniger Menschen von ihr manipuliert. Genervt sind wir nämlich vor allem dann, wenn Werbung uns nur mit bedeutungslosen, langweiligen und immer gleichen Nachrichten ohne Tiefgang begegnet.

 


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„Es war einmal… Märchenhaft berührt – wie Werbung wirklich funktioniert“

Ein Buch für alle, die sich von Werbung nicht beeinflussen lassen oder dies zumindest glauben. Und für alle, die täglich mit Werbung zu tun haben und eigentlich schon alles wissen.

Das Buch „Werbung auf der Couch“ ist erschienen im Verlag Herder GmbH.
Format: 12,5 x 20,5 cm,  232 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag. ISBN 978-3-451-32967-8G zum Preis von € 19,99.
Es kann direkt über hier bestellt werden.


 

Ines Imdahl, Diplom-Psychologin, ist Gründerin und Inhaberin der Marktforschungsagentur rheingoldsalon. Seit mehr als 20 Jahren steht die tiefenpsychologische Wirkung von Werbung und Kommunikation im Zentrum ihrer Forschung. Durch zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen, unter anderem rund 100 Kolumnen im Handelsblatt, zum Thema, hat sie sich einen Namen gemacht.

 

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