Was auf die Unternehmen zukommt

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Nach den Sondierungen zeichnet sich ab: Es wird ernst gemacht mit dem ökologischen Umbau der Wirtschaft in Deutschland. Es ist nicht die einzige Herausforderung für den Erhalt und die Schaffung unternehmerischer Werte.

Finanzpolitik und Steuern

Riesige Summen will der Staat in die Hand nehmen. Grünen-Chef Robert Harbeck spricht von Investitionen 50 Milliarden Euro pro Jahr. Vor allem der massive Ausbau der erneuerbaren Energien steht im Vordergrund. „Es wird das größte industrielle Modernisierungsprojekt, das Deutschland seit 100 Jahren durchgeführt hat“, so Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Markus Jerger

Doch woher soll das Geld kommen? Unternehmensverbände zeigen sich durch die Bank zwar erleichtert, dass Steuererhöhungen, Substanzsteuern oder die Aufhebung der Schuldenbremse vom Tisch scheinen. Der Bundesgeschäftsführer des Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Markus Jerger, gegenüber DPA: „Bei den Sondierungen hat sich an entscheidenden Stellen die wirtschaftspolitische Vernunft durchgesetzt. Das zeigt vor allem die klare Absage an neue Substanzsteuern und Steuererhöhungen. Die Unternehmen erhalten dadurch Planungssicherheit und Spielraum für dringend notwendige Investitionen zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.“

Reinhold von Eben-Worlée (Anne Kreuz Fotografie)

Doch letztlich deuten sich Schuldenaufnahmen über finanzpolitische Kreativleistungen an, die abseits des regulären Bundeshaushalts laufen. Jedoch dürften, so Familienunternehmer-Präsident Reinhold von Eben-Worlée, „solide Staatsfinanzen jetzt nicht durch Umgehungswege ausgehöhlt werden“. Wir bräuchten vielmehr eine nachhaltige Finanzpolitik für die kommenden Generationen. „Geldausgeben alleine löst die Probleme nicht“, so von Eben-Worlée.

In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich BDI-Präsident Siegfried Russwurm und der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann hingegen für massive investitionspolitische Impulse aus.

Inflation und Geldpolitik

Roland Tichy

Dabei lassen die sich andeutenden hohen Schuldenaufnahmen Deutschlands noch andere Sorgen wachsen: Jene um Währungsstabilität und Inflation. Eine Fortführung der expansiven Geldpolitik der EZB wird allgemein erwartet. Der gestern angekündigte Rückzug von Bundesbank-Chef Jens Weidmann verstärkt diese Befürchtungen noch. Für den Wirtschaftsjournalisten und Publizist Roland Tichy ist dessen Abgang ein „Katastrophenalarm für unser Geld“: „Diese Nachricht ist nicht von der derzeitigen Inflationsentwicklung zu trennen. Weidmann warnt schon seit Jahren vor der ständigen Ausweitung der Geldpolitik, weil sie unweigerlich zur Inflation führen könnte.“ Diese Entwicklung erhalte jetzt einen neuen Schub: „Was immer die beginnende Ampelkoalition redet – sie will weiter die Schulden erhöhen“, befürchtet Tichy.

Dr. Patrick Adenauer

Diese Inflation werde letztlich auch die Unternehmen treffen, erwartet Dr. Patrick Adenauer, Bauunternehmer und ehemaliger Präsident von Die Familienunternehmer. Zwar bevorzuge günstiges Geld jene, die Zugang zu Bankschulden haben, wie für Immobilien- oder Firmenkäufe. Diese würden durch billige Zinsen eingeladen, Schulden zu machen. Auf der anderen Seite werden die Vermögen derjenigen geschmälert, die einen solchen Zugang nicht haben. Adenauer, der zusammen mit Heinrich Weiss und Jürgen Hereaus Verfassungsklage Klage gegen die EZB-Anlagekäufen (PSPP) erhoben hat, bereits im März auf DDW: „Wir werden an allen Ecken und Enden sehen, dass die Preise steigen. Dadurch wird das verfügbare Einkommen für den Nomalbürger knapper. Wir kommen in die klassische Spirale hinein, an deren Ende wir in die Rezession stürzen.“

Renditen und Aktien

Angesichts dieser anhaltenden Schuldenpolitik machen sich verstärkt auch Sorgen um ein Platzen der durch die Geldflutung erzeugten Aktien- und Immobilienblasen breit – die Kehrseite der schleichenden Enteignung von Geldanlagen, Lebensversicherungen, Pensionsansprüchen und Renten durch Minuszinsen und Inflation.

Jacob Vijverberg

Jacob Vijverberg, Investment Manager, Multi-Asset Investing bei Aegon Asset Management, sieht für Unternehmensrenditen zudem auch das Thema Steuererhöhungen international nicht vom Tisch: „Die Steuerpolitik gehört zu den Risiken, die die Renditen in den kommenden Jahren schmälern könnten. Denn die Regierungen müssen die Verbindlichkeiten aus den Schulden der Covid-19-Krise finanzieren.“ Letztlich würden sich höhere Steuern für Unternehmen negativ auf die Unternehmensgewinne und damit auch auf die Aktienrenditen auswirken: „Die Renditen von Aktien werden wahrscheinlich unter den historischen Durchschnittswerten liegen, da die aktuellen Bewertungen hoch sind“, so Vijverberg.

Digitalisierung und Bürokratieabbau

Marc S. Tenbieg

Positive Erwartungen hegen die meisten Kommentatoren, speziell durch die Regierungsbeteiligung von FDP und Grünen, in den Bereichen Digitalisierung, Beschleunigung von Genehmigungsverfahren sowie Bürokratieabbau.

Der Deutsche Mittelstands-Bund (DMB) hatte in einer Mitgliederbefragung Anfang. Oktober ermittelt, dass ein wirksames Bürokratieentlastungsgesetz der häufigste Wunsch der Unternehmen für einen Koalitionsvertrag ist. Entsprechend sieht der geschäftsführender Vorstand des DMB, Marc S. Tenbieg, in den erzielten Verhandlungsergebnissen „zwar grundsätzlich positive Zeichen für den Wirtschaftsstandort“, fordert aber mehr Entschlossenheit und Konkretisierung für den Koalitionsvertrag: „Ob die Ampel tatsächlich als „Koalition des Aufbruchs“ wahrgenommen wird, entscheidet sich insbesondere an konkreten, mutigen Maßnahmen und am Umsetzungstempo.“

Dr. Hans-Peter Klös

Auch Dr. Hans-Peter Klös, Geschäftsführer und Leiter Wissenschaft beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), gießt beim Thema Digitales und Bürokratieabbau Wasser in den Wein: „Die genannten Vorhaben wie digitaler Staat, schnelleres staatliches Handeln, Planen und Genehmigen, eine agilere und digitalere Verwaltung sowie eine bessere Daseinsvorsorge im ländlichen Raum sind auf der Ebene von Überschriften sehr zu begrüßen – aber: es handelt sich in der Umsetzung um ein administrativ sehr hartes und zudem dickes Brett.“

Energie und ökologischer Umbau

Gabor Steingart

Die Auswirkungen des beschleunigten Umbaus der Energieversorgung auf Preise und Wettbewerbsfähigkeit sowie Versorgungsstabilität sind unsicher. Angesichts des gleichzeitigen Ausstiegs aus Atomenergie und Kohleverstromung, der ablehnenden Haltung gegen Gaslieferungen mit Nordstream 2 sowie den Naturschutz- und Bürgerrechtsimplikationen des massiven Ausbaus von Stromtrassen und Windkraftanlagen sieht der Publizist Gabor Steingart die Grünen „in der energiepolitischen Sackgasse“. Er empfiehlt „dringend das klärende Selbstgespräch: Wer sind sie und wenn ja, wie viele?“

Marc Schattenberg

Kurzfristig wirken steigende Energiekosten und die regulatorische Verkürzung der Nutzungszeiten von Anlagen bereits wie ein negativer Angebotsschock, so Marc Schattenberg von der Deutsche Bank Research. „Das gilt umso mehr, wenn es mittelfristig nicht gelingt, die Chancen für Neuinvestitionen zu nutzen und adäquaten Ersatz zu installieren“, so Schattenberg.

Insgesamt werden jedoch die Sondierungsergebnisse in Hinblick auf die Klimapolitik jedoch positiv gesehen. Für Familienunternehmer-Präsident Reinhold von Eben-Worlée „steigt die Hoffnung, dass Klimaschutz und Energiewende nicht zu den befürchteten schweren Schäden in den produzierenden Unternehmen führen.“ Vielmehr werden die Chancen gesehen, dass deutsche Unternehmen eine Vorreiterrolle für nachhaltige Verfahren und Produkte übernehmen könne. Fraglich ist jedoch, ob diese die bereits eintretenden Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste im industriellen Sektor, namentlich der Automobilindustrie, werden kompensieren können.

Siegfried Russwurm

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der heute sein „Wirtschaftspogramm für Klima und Zukunft“ vorgestellt hat, zeigt darin die komplexen und historischen einzigartigen Aufgaben in der Klima-, Energie-, Verkehrs- und Industriepolitik für den Weg zur Klimaneutralität auf. BDI-Präsident Siegfried Russwurm: „Die gute Nachricht: Das Ziel Klimaneutralität bis 2045 ist überaus ehrgeizig, technologisch im Prinzip aber machbar“. Doch er warnt: „Wenn wir scheitern würden, würden wir das Erfolgsmodell des Industrielandes Deutschland zerstören und den Wohlstand des ganzen Landes gefährden.“

Dr. Roland Krall

In der Tat gibt es auch mahnende Stimmen, ob der radikale klimapolitische Umbau der Wirtschaft am Ende die Chancen realisiert, die er verspricht. Der Publizist und Volkswirtschaftler Dr. Roland Krall findet in seinem jüngsten Buch „Freiheit oder Untergang“ drastische Worte: „Unsere Gesellschaft ist Gegenstand des ganz großen Experiments geworden, der Entschlossenheit, sie planerisch, quasi wie durch einen Sozial-Ingenieur, nach dem Willen einer selbsternannten freiheits- und marktfeindlichen linken Elite umzugestalten.“ Aufgrund der Erfahrungen des 20. Jahrhunderts könne man bereits heute mit Sicherheit sagen, dass dieses Experiment in Tränen enden wird, befürchtet Krall.

In jedem Fall bedeuten die klimapolitischen Pläne auch für die Unternehmen erhebliche Aufwendungen und Investitionen. Im Gegenzug deuten sich erhöhte staatliche Fördermittel an. Unternehmen könnten zudem in den Genuss sogenannter „Super-Abschreibungen“ für Investitionen in klimaneutrale Produktion, Digitalisierung und Forschung kommen. „Wer aber glaubt, dass diese die hohen Aufwendungen für die Unternehmen kompensieren, ist im besten Fall naiv“, so Russwurm.

Transformation

Doch auch abseits des Umbaus zur Klimawirtschaft hat die deutsche Wirtschaft einen gewaltigen Transformationsprozess zu bewältigen. Der technologische Nachholbedarf, speziell in der Digitalisierung, ist angesichts enteilender Volkswirtschaften auf diesem Gebiet riesig – und muss finanziert werden.

Einer der entscheidenden Gründe, hierdurch auf eine deutlich höhere Produktivität und Wertschöpfung zu gelangen, liegt nach Ansicht von Marc Schattenberg in dem Bevölkerungsschwund: „Deutschlands Potenzialwachstum wird in den kommenden Jahren zunehmend unter demografischen Druck geraten. Nachlassendes Potenzialwachstum beeinträchtigt die konjunkturelle Resilienz und schwächt tendenziell die Schuldentragfähigkeit. Daher sollte das Potenzialwachstum noch stärker in den Mittelpunkt politischer Debatten rücken.“ Folgerichtig sei dies das große bindende Thema zwischen effizientem und zugleich klimagerechtem Wirtschaften, dem demografischen Wandel und dem Megatrend der Digitalisierung.“

Dass in dem Sondierungspapier die Rolle von Startups in dem Transformationsprozess erkannt wird und beispielsweise durch erleichterte Mitarbeiterbeteiligungen gefördert werden soll, wird allgemein positiv aufgenommen.

Unternehmenstransaktionen und -finanzierung

Rüdiger Goll

Einer der renommiertesten M&A-Experten, Rüdiger Goll von der Industrie Consult International, sieht die Lage ähnlich: „Die deutschen Unternehmen stehen vor gigantischen Herausforderungen der technologischen Erneuerung. Der Mittelstand muss sich neu orientieren. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben“. Für den Markt der Unternehmenstransaktionen sieht Goll daher lebhafte Zeiten zukommen: „In diesem Veränderungsprozess wird es vermehrt dazu kommen, Teile oder ganze Unternehmen an ‚Best Owner‘ abzugeben, die diese sinnvoller einbinden können. Die so erzielten Mittel könnten Unternehmen in neue Geschäftsfelder reinvestieren.

Ulrike Hinrichs

Auch die Beteiligungsbranche sieht entsprechend wachsende Aufgaben vor sich. Ulrike Hinrichs, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V.: „Es müssen jetzt große und wichtige Richtungsentscheidungen getroffen werden, um die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu sichern. Fortschreitende Digitalisierung, Investitionen in den Umweltschutz und eine nachhaltige Wertschöpfungskette sind hier beispielsweise zu nennen.“ Angesichts der gewaltigen Umbrüche und der steigender Staatsverschuldung bedürfe es daher auch verlässlicher Investitionspartner von privater Seite. Beteiligungskapital könne hier für die Unternehmen beim Transformationsprozess in eine erfolgreiche Zukunft begleiten.

Rüdiger Goll jedenfalls hat in Bezug auf die Bundespolitik den klassischen Rat erfahrener Unternehmer parat: „Nicht auf die Politik achten. Selber handeln.“

 

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