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Was der Staat bei Unternehmenskrisen tun sollte? Nichts!
In diesen Tagen halten neben der allgemeinen Politik auch Nachrichten aus der Wirtschaft die Öffentlichkeit in Atem. Volkswagen (VW) bereitet Sorgen. Fehlende Milliarden, möglicher Arbeitsplatzabbau, sogar Werksschließungen stehen auf der Tagesordnung.
Von Professor Dr. h.c. mult Roland Koch
VW ist nicht nur mit rund 300.000 Beschäftigten der fünftgrößte Arbeitgeber in Deutschland, sondern auch einer der wichtigsten Auftraggeber für den deutschen Mittelstand. Das ist gewichtiger als die Krise einer Schiffswerft oder der Subventionshunger von Chipfabriken; dahin fließen bereits Milliarde um Milliarde an Steuergeld.
Also müssen wir genau hinschauen und uns fragen: Wie kann es zu diesem weiteren Menetekel für den Standort Deutschland kommen? Meiner Meinung nach haben wir hier ein anschauliches Beispiel für wesentliche Fehler, die wir in den letzten Jahren am Standort Deutschland gemacht haben. Es sind gewichtige negative Rahmenbedingungen, welche die Politik geschaffen hat, sowie schwere unternehmerische Fehler, die Management, Belegschaften und wiederum die Politik gemeinsam zu verantworten haben.
Unternehmen brauchen einen guten Rahmen
Es geht um die Rahmenbedingungen in Deutschland. Die ökologische Transformation mit ihren vielfältigen und hektischen Staatseingriffen schwächt die deutsche Automobilindustrie. Selbstverständlich brauchen wir den klaren Pfad zum CO2-freien Auto. Aber anstatt dafür den Weg über den CO2-Preis mit seinen kalkulierbaren wirtschaftlichen Steuerungsmöglichkeiten zu wählen, haben sich Politiker – europaweit, aber durchaus führend in Deutschland – überschlagen, um immer schwerer erfüllbare CO2-Grenzwerte für Kfz festzulegen; bis die Panik beim früheren VW-Chef Diess dazu führte, für VW schon ab 2026 das „Aus“ für Verbrennermotoren zu propagieren. Eine schwer umkehrbare Entscheidung, obwohl im Sommer dieses Jahres mit 60 Milliarden Euro zur Weiterentwicklung von Verbrennermotoren der Versuch einer Kurskorrektur gestartet wurde.
Derzeit ist VW noch nicht wettbewerbsfähig beim Elektroauto, und das Volumen der traditionellen Fahrzeuge schrumpft zu schnell. Kein Wunder, dass der Konzern in Schwierigkeiten steckt. Eine Entwicklung, die branchenübergreifend zu spüren ist, vergleichbar mit dem Übergang von der Gastherme zur Wärmepumpe und dem aus diesem Grund verkauften Unternehmen Viessmann. Die alleinige und schnelle Konzentration auf das Elektroauto nimmt der deutschen Automobilindustrie jedenfalls die notwendige Zeit für den Umstieg. Wir werden in Zukunft wohl leider noch mehr solcher Auswirkungen sehen.
Unternehmen brauchen einen guten Standort
Dies alles geschieht in einem ohnehin wirtschaftlich schwierigen Umfeld. Deutschland ist die Wachstumsbremse in Europa. Der Konsum ist gebremst, das IFO-Konjunkturbarometer zeigt diese Schwäche. Selten waren Menschen so unsicher hinsichtlich ihrer eigenen wirtschaftlichen Zukunft. Da kann das neue Auto auch noch warten. Ungelöste Fragen der Energieversorgung bis zur lange unterdrückten Suche nach Alternativen zum Elektroauto halten ausländische Investoren fern. Die Bundesregierung bietet mit ihrem Krisenmanagement ein frustrierendes Bild.
Ludwig Erhard hat schon früh darauf hingewiesen, wie bedeutsam psychologische Faktoren, wie wichtig Optimismus für die wirtschaftliche Erholung sind.
Unternehmen brauchen gute Manager und Stakeholder
Man kann allerdings nicht alle Schuld bei der Politik abladen. BMW war gelassener bei der Entscheidung über den Antrieb der Zukunft und muss weniger korrigieren. Kein deutsches Unternehmen ist führend auf dem Gebiet der vernetzten Mobilität, der eigene Kartendienst scheint verloren. VW wollte sogar eine eigenständige IT-Struktur für seine Fahrzeuge und ist damit gescheitert. Durch die Aufgabe dieses Konzepts und den Einkauf fremder Software werden zahlreiche Modelle Jahre später eingeführt. Dafür kann die Politik nichts. Management und Belegschaft sollten anerkennen, dass die Verantwortung auf beiden Seiten liegt.
Das Ausland und die Befürworter privatwirtschaftlicher Verantwortung sehen die Machtverhältnisse bei VW schon lange kritisch. Von außen oft als Familienunternehmen beschrieben, haben die Arbeitnehmervertreter und das Land Niedersachsen zusammen 70 Prozent der Stimmen im Aufsichtsrat. Wenn VW heute zu hohe Kosten pro Auto hat, Standorte nicht effizient genug sind und die Zahl der Beschäftigten zu hoch ist, dann verantworten der Vorstandsvorsitzende, die Gesamtbetriebsratsvorsitzende und der Ministerpräsident von Niedersachsen das gemeinsam. Sie werden jetzt auch gemeinsam die sicher schmerzhafte Sanierung angehen müssen.
Das süße Gift der Staatshilfe
Was wäre aus der Perspektive einer Sozialen Marktwirtschaft jetzt zu tun? Das Wichtigste ist, dass es keine staatliche Unterstützung geben darf. Dass wenige Stunden nach der Sanierungsankündigung der Bundeswirtschaftsminister wieder mit einer neuen Prämie für immer teurere Autos ein Strohfeuerprogramm für den E-Auto-Kauf ankündigt, ist nichts als die Fortsetzung einer hektischen Strategielosigkeit, die den Schaden mit verursacht hat. Natürlich hoffe auch ich als ehemaliger Landespolitiker, dass es gelingt, viele Standorte zu erhalten: Die Hessen wissen, was das VW-Werk in Baunatal für die Region bedeutet.
Dennoch hat Wirtschaftlichkeit Vorrang. Ohne staatliche Interventionen und mit einer gelassenen Umweltpolitik des langen Atems wäre die deutsche Automobilindustrie auf dem Pfad der Transformation anstatt auf einer derart gefährlich abschüssigen Strecke. Erfolgreiche Unternehmen haben zuerst Ideen, dann Investoren und schließlich Standorte und Mitarbeiter. Es ist sinnlos, wenn Politiker versuchen, diese Reihenfolge künstlich umzudrehen. Es ist dagegen sinnvoll, wenn Management, Anteilseigner und Arbeitnehmer einen Weg finden, die unvermeidlichen Opfer fair zu definieren und gemeinsam umzusetzen. Streiks helfen sicher gar nicht.
VW ist ein Leuchtfeuer an neuen Herausforderungen. Die Bundestagswahl 2025 wird stärker im Licht dieser wirtschaftlichen Herausforderungen stehen als aktuell viele ahnen. Die Versuchung der Politik, den allfälligen Retter zu spielen, wird groß sein; es ist falsch, ihr nachzugeben. Künftiges Wachstum entsteht aus einer bewältigten, nicht aus einer künstlich verdrängten Krise.
Ohne staatliche Gängelung gute Geschäfte machen
Vor einigen Monaten erhielten zukünftige Chipfabriken in Deutschland mehr als 20 Milliarden Euro an Zuschüssen, da ohne diese Subventionen Deutschland als Standort nicht wettbewerbsfähig war. Jetzt haben wir auch noch eine verstaatlichte Werft. Unternehmerische Aktivitäten sollen aber aus sich selbst heraus zu Gewinnen führen, die bisherige Investitionen finanzieren und genug Profit übriglassen, damit daraus das Startkapital für die nächsten Investitionen wird. Steuern, Infrastruktur, schnelle Genehmigungen, stabile Währung und freie Märkte: Das sind Stichworte für eine gute Politik. Damit lassen sich Krisen bewältigen. Wenn Politik bei jedem einzelnen Unternehmen – sei es noch so groß – mit der „Rettung“ anfängt, wird das nicht wirklich helfen.
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Professor Dr. h.c. mult. Roland Koch ist seit November 2020 Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Koch war bis von 1999 bis 2010 Hessischer Ministerpräsident. Altbundeskanzler Ludwig Erhard gründete 1967 die Ludwig-Erhard-Stiftung und gab ihr die Aufgabe, für freiheitliche Grundsätze in Wirtschaft und Politik einzutreten und die Soziale Marktwirtschaft wachzuhalten und zu stärken. Die Stiftung ist von Parteien und Verbänden unabhängig und als gemeinnützig anerkannt. Sie tritt politischem Opportunismus und Konformismus mit einem klaren Leitbild entgegen: Freiheit und Verantwortung als Fundament einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für den mündigen Bürger. Infos
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