Was Unternehmen vom Profifußball lernen können
Was macht einen Menschen, was macht eine Organisation stark? Wer sich im Fußball nur nach dem Gegner richtet, kann keinen Erfolg haben. Das eine ist, zu wissen, wie der Gegner spielt – das sind die Hausaufgaben. Sich anzupassen, ist das andere. Sobald ein Team dies tut, verliert es seine besonderen Fähigkeiten, aus denen es seine Kraft schöpft. Das gilt in der Wirtschaft genauso wie im Sport.
Im deutschen Profifußball bin ich eine der wenigen Beraterinnen. Ich arbeite für mehrere Bundesligaclubs, deren Namen ich nicht nennen darf. Was ich sagen kann, ist, dass ich unter anderem einen Verein begleitete, der in einer Großstadt zu Hause ist, wo Emotion und Folklore etwas wichtiger genommen werden als in anderen Städten. Einen Verein, der lange Zeit hochverschuldet war und dessen Bundesligateam als Fahrstuhlmannschaft bekannt war. Unser Ziel war es, den Verein nachhaltig erfolgreich zu machen. Dazu mussten wir einerseits konsolidieren, andererseits sollte der Club aus eigener Stärke wachsen. Das sind eigentlich zwei kollidierende Ziele. Und dennoch können wir drei Jahre später feststellen, dass die Strategie aufgegangen ist: Der Verein hat sich in der höchsten Spielklasse etabliert, sein Fahrstuhlimage abgelegt und seine Finanzen in Ordnung gebracht.
Wirtschaftlich konsolidieren heißt auch, profitabel zu werden
Wie haben wir das geschafft? In sportlicher Hinsicht, indem wir auf die eigene Jugend gesetzt haben. In dem Verein gab es schon immer eine gute Nachwuchsarbeit. Das Problem bestand darin, die jungen Spieler in den Lizenzspielerbereich zu heben. Viele Trainer haben daran kein Interesse. Für sie ist es oft sicherer, gestandene Profis von anderen Vereinen zu kaufen, deren Leistung sie einschätzen können. Stellen sie junge Spieler auf, ist das Risiko viel größer, dass das Team aus Mangel an Erfahrung ein paar Spiele verliert. Und das kann einen Trainer schnell den Job kosten. Langfristig ergibt es jedoch Sinn, Jugendspieler zu fördern. Dank der neuen strategischen Ausrichtung hat der Verein heute beispielsweise erstmals seit langem einen deutschen Nationalspieler im Kader, der aus der eigenen Nachwuchsmannschaft entstammt.
Wirtschaftlich konsolidieren heißt auch, profitabel zu werden. Eine wichtige Einnahmequelle ist im Profisport das Sponsoring. Wenn ein Verein einen Vertrag mit einem Autohersteller hat, dann sollten die Spieler zwingend mit dieser Marke zum Training fahren – selbst wenn sie in der Garage einen Ferrari stehen haben. So etwas konsequent durchzusetzen, ist extrem schwierig. Profispieler sind sensible Persönlichkeiten, und die Trainer erfüllen lieber deren Wünsche als die des Sponsors. Wenn zur Strategie aber ein konsistenter Außenauftritt gehört, dann hat es höchste Relevanz, die Verträge mit Sponsoren umzusetzen.
Im Fußball kann die Strategie jede Woche kippen
Strategie hat in vielen Unternehmen einen schlechten Ruf. Sie wird häufig belächelt und durch das Operative erstickt. Das gilt für Profifußballvereine in besonderem Maße. In einem Fußballverein sind die Verbindungen zwischen den Entscheidungsträgern ungleich komplexer als in herkömmlichen Unternehmen. Das hat zur Folge, dass die Umsetzung einer Strategie jederzeit scheitern kann. In einem Wirtschaftsunternehmen haben Sie für die Implementierung drei bis fünf Jahre Zeit. Im Fußball kann die Strategie jede Woche kippen, weil die Öffentlichkeit nach jedem Spieltag ein neues Urteil fällt – und zwar nicht nur über die Mannschaft, sondern auch über den Trainer, den Sportdirektor oder den Vorstand. Die Vereine werden tagtäglich auf zig Kanälen medial durchleuchtet und dadurch zu transparenten Gebilden. Ununterbrochen halten ihnen die Medien Stöckchen hin, über die sie springen sollen – das verleitet zu Kurzschlussreaktionen.
Fußball ist eine emotionale Angelegenheit, wichtige Entscheidungen werden maßgeblich aus einem Impuls heraus gefällt. Man sagt, beim Fußball hört der Verstand bisweilen auf – ich kann das bestätigen. Ich habe schon Trainer in der ersten Bundesliga erlebt, die millionenschweren Einkäufe auf der Ersatzbank haben versauern lassen, nur weil sie mit der Art eines Spielers nicht zurechtkamen. Das Spielvermögen oder fußballerische Können – was letztlich über Erfolg und Misserfolg entscheidet – ist ihnen dann egal.
Spiele niemals das Spiel des Gegners
So etwas wäre in der Wirtschaft unvorstellbar. Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Topmanager für zum Beispiel zehn Millionen Euro eingekauft und schicken ihn in die Sachbearbeitung oder die Poststelle – der Aufsichtsrat würde Ihnen die Papiere fertig machen. Nach wie vor ist es in den meisten Vereinen so, dass der Fußballtrainer eine unangefochtene Hoheitsmacht hat, die einer nachhaltigen strategischen Ausrichtung des Gesamtvereins im Wege stehen kann. Eine wichtige Aufgabe besteht deshalb darin, die wirtschaftliche und die sportliche Führung auf eine Linie zu bringen. Sie müssen bis hin zu den Nachwuchstrainern eine klare Handlungsstrategie kommunizieren – und diese dann auch konsequent umsetzen.
Eines meiner wichtigsten Vorbilder ist mein Vater. In der Türkei war er Sohn einer wohlhabenden Familie, doch dann wurde er enterbt – aus Sicht meines Großvaters hat er die falsche Frau geheiratet. Daraufhin wanderte er nach Deutschland aus. Er baute sich innerhalb von wenigen Jahren ein neues Leben auf und erzog meine Geschwister und mich nach liberalen Grundsätzen. Er brach mit seiner Ursprungskultur, redete mit uns Deutsch und brachte uns das Christentum bei. Katholische Religion wurde mein viertes Abiturfach, studiert habe ich deutsches Recht. Mein Vater hat mich gelehrt, dass die wichtigsten Weisheiten nicht in Büchern stehen, sondern im Leben zu finden sind. Eine der Lehren lautet daher für mich: Spiele niemals das Spiel des Gegners. Eine zweite, sie baut darauf auf: Wenn Menschen konsequent handeln, dann ist Erfolg das zwangsläufige Ergebnis.
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