Weltreise eines Kapitalisten: Seoul und Gangwon, Korea

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Viele Menschen träumen von einer Weltreise. Ich habe eine Weltreise in 30 Länder gemacht: Meine »Liberty Journey«, immer der Freiheit auf der Spur. Mein nächstes Ziel: Südkorea / Reihe Weltreise eines Kapitalisten

Von Dr. Dr. Rainer Zitelmann

Korea – jedenfalls die Hauptstadt Seoul – wirkt europäischer, als zumindest ich es vor meinem ersten Besuch dort, im Jahr 2019, erwartet hatte. Hochmoderne, riesige Shoppingcenter, die zum Teil moderner wirken als in Deutschland. Mein Hotel, das Fairmont Ambassador, liegt neben dem größten Shoppingcenter, und kaum, dass ich es betreten habe, kommt mir ein Roboter entgegengefahren, mit dem junge Menschen kommunizieren. Er fährt die ganze Zeit in dem Center hin und her, vielleicht ersetzt er auch teilweise Bewachungspersonal.

Was mir gefallen hat: Koreaner putzen sich viel häufiger die Zähne als Deutsche. Ich tue dies sowieso stets nach dem Essen, auch wenn ich nicht daheim bin, und manchmal schauen mich Leute in Deutschland in einer öffentlichen Toilette etwas befremdet an, wenn sie mich dabei beobachten. Wenn man in Korea in einem Büro ist und auf Toilette geht, findet man an den Waschbecken häufig Zahnbürsten und Zahnseide der Mitarbeiter, und immer wieder trifft man jemanden, der sich gerade die Zähne putzt.

Wenn ich im Ausland bin, gehe ich gerne auch mal in typische, günstige Restaurants, nicht nur in die Hotel-Gastronomien. Da ich nicht mit Stäbchen essen kann, frage ich nach Messer und Gabel. Als ich das erste Mal eine riesige Schere statt eines Messers bekam, dachte ich, das sei ein sprachliches Missverständnis. Beim zweiten Mal verstehe ich, dass es in manchen Restaurants tatsächlich keine Messer gibt, und wenn man etwas zerkleinern will, macht man es mit der riesigen Schere.

Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, was der Kapitalismus leisten kann

Im Mai 2023 führt mich mein Weg das zweite Mal nach Seoul; das erste Mal war ich im Mai 2019 auf Einladung einer meiner Verlage in Korea. Diesmal lädt mich mein Verlag ein, in dem die koreanische Ausgabe von »Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten« erschien. Der Verleger spricht jedoch kein Englisch, und ich bin dankbar, dass mich Professor Sooyoun Hwang, der mein Buch übersetzt hat, die ganze Zeit begleitet. Sooyoun hat sich sehr verdient gemacht in der Verbreitung marktwirtschaftlicher Ideen in Korea und bis heute insgesamt 56 Bücher übersetzt, u.a. von Gordon Tullock, Randall Holcombe und Eamonn Butler.

Sooyoun ist 72 Jahre alt und unterrichtete früher an der Kyungsung-Universität in Busan Public Choice und Austrian Economics. Er wurde besonders von dem Public-Choice-Theoretiker Gordon Tullock beeinflusst, den er als Exchange Scholar kennenlernte. »Gordon stand unter dem Einfluss von Ludwig von Mises’ Human Action, und so begann ich, Mises und die Austrian School of Economics zu lesen.« Später war er Präsident der Korea Hayek Society und erhielt als erster den Market Economy Education Award des Thinktanks Center for Free Enterprise (CFE). Dieser Thinktank wurde 1997 von Choi Jong-hyun, dem damaligen Präsidenten des koreanischen Industrieverbands, gegründet. Seitdem ist das CFE eine führende Institution bei der Verbreitung der Ideen der freien Marktwirtschaft in der südkoreanischen Öffentlichkeit. Die CFE hat Dutzende von Universitäten dabei unterstützt, alljährliche Vorlesungen zur Marktwirtschaft zu veranstalten.

Der Historiker und Soziologe Rainer Zitelmann hat 30 Länder auf vier Kontinenten bereist. Sein Buch lässt die Leser die Länder gründlicher erfahren, als es jede touristische Visite vermag. Vorgestellt werden die Gesellschaften und ihre Hintergründe, die Nationen mit ihrer Geschichte und ihrer Zukunft. Aus der Perspektive eines intellektuellen Freiheitsfreundes wird gezeigt, wie Armut und Reichtum entstehen. Bestellinfos

Südkorea ist ein besonders eindrucksvolles Beispiel dafür, was der Kapitalismus leisten kann. In den 60er-Jahren waren die beiden 1948 getrennten Koreas noch sehr arme Länder. So arm, wie es heute die ärmsten afrikanischen Länder sind.

Schwierige Ausgangslage nach dem Zweiten Weltkrieg

Nordkorea ging den Weg der staatlichen Planwirtschaft, Südkorea entschied sich für den kapitalistischen Weg. In Nordkorea hungern die Menschen noch heute bei Missernten. In einem Lagebericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef von Ende 2020 heißt es, dass für mehr
als zehn Millionen Menschen in Nordkorea keine Nahrungssicherheit bestehe. Allein 2,67 Millionen Kinder benötigten humanitäre Hilfe. Kurz vor meiner Reise nach Südkorea gibt es erneut Berichte über eine Hungersnot in Nordkorea.

Dabei war die Ausgangslage für Südkorea nach dem Zweiten Weltkrieg sogar schwieriger als im Norden: Das Land bekam zunächst keinerlei Hilfe von den USA, während Nordkorea von der Sowjetunion und China massiv unterstützt wurde. Südkorea war ein reines Agrarland ohne nennenswerte Bodenschätze, während fast alle Bodenschätze der Halbinsel wie Eisenerz, Gold, Kupfer, Blei, Zink, Grafit, Molybdän, Kalkstein und Marmor in Nordkorea konzentriert sind. Die Bevölkerung Südkoreas wuchs sehr rasch, weil viele Menschen aus dem kommunistischen Norden flüchteten. Allein in den Jahren 1945 bis 1947 nahm die Einwohnerzahl von 16 auf 21 Millionen Menschen zu. Viele Bewohner des Südens fristeten ein Leben am oder unterm Existenzminimum.

Die japanische Regierung vertrat im Juli 1961 die Meinung, es werde für Südkorea aus sieben Gründen unmöglich sein, eine unabhängige Wirtschaft zu entwickeln: Überbevölkerung, Mangel an Ressourcen, unterentwickelte Industrie, schwere militärische Lasten, schwache politische Geschicklichkeit, Mangel an Kapital, Fehlen an administrativer Fähigkeit. In den 50er-Jahren, nach dem Koreakrieg, gab es in der Tat kaum ökonomische Fortschritte in Südkorea. Das Pro-Kopf-Einkommen war 1960 mit 79 Dollar immer noch eines der niedrigsten weltweit.

Das koreanische Wirtschaftswunder

Das änderte sich erst, als 1961 Park Chung-hee an die Macht kam. Park, der bis zu seiner Ermordung durch den eigenen Geheimdienstchef 1979 Südkorea autokratisch beherrschte, wurde zum Vater des koreanischen Wirtschaftswunders. Zunächst neigte Park einer zentralen Staatswirtschaft zu. Es wird berichtet, dass Lee Byungchull, der Begründer der Samsung-Gruppe (die heute weltweit unter anderem durch ihre Mobiltelefone bekannt ist), Park davon überzeugte, »dass nur eine relativ liberale Marktwirtschaft die notwendigen unternehmerischen Initiativen und die erforderliche Kreativität freisetzen würde, um internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Versorgung der Bevölkerung mit modernen Gütern zu erreichen«.

Südkorea ist heute eine der führenden Exportnationen (Platz 6 nach Japan), und Marken wie LG oder Samsung genießen weltweit hohes Ansehen. Laut dem Index der wirtschaftlichen Freiheit 2023 rangiert Südkorea auf Platz 15 der Liste der wirtschaftlich freiesten Länder der Welt, weit vor Großbritannien (Platz 28) und den Vereinigten Staaten (Platz 25). Zum Vergleich: Nordkorea rangiert auf Platz 176, das ist der letzte Platz in dem Ranking. Besonders gute Punktzahlen erhält Südkorea in den Bereichen Fiscal Health, Property Rights und Business Freedom, Reformbedarf besteht insbesondere im Bereich Labour Freedom, weil es zu viele Regulierungen des Arbeitsmarktes gibt. Das Image des Kapitalismus in Südkorea ist sehr positiv. Bei unserer Befragung in 35 Ländern war das Image des Kapitalismus nur in Polen und den USA noch besser als in Südkorea (der Pro/Antikapitalismus-Koeffizient beträgt 1,23).

Dr. Dr. Rainer Zitelmann kommt gerne auch zu Ihnen und hält einen Vortrag über seine Weltreise. Anfragen: Office-zitelmann@web.de

Als ich 2019 nach Korea reise, wird es von einer eher linken Regierung unter Präsident Moon Jae-in regiert. Seit 2022 ist hingegen Yoon Suk-yeol an der Macht, ein Politiker, der sich häufig auf Milton Friedman und Ludwig von Mises beruft. Meine Gesprächspartner in Korea sind jedoch enttäuscht, dass Yoon wenig in der Wirtschaft verändert habe. Der marktwirtschaftlichen Rhetorik seien keine Taten gefolgt, obwohl eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes dringend notwendig sei. Die strikten Kündigungsschutzregeln beispielsweise verhinderten Neueinstellungen. Aber Yoon hat nicht die Mehrheit im Parlament, und das schränkt seinen Handlungsspielraum ein. In Korea gibt es praktisch ein Zwei-Parteien-System, ähnlich wie in den USA, im Wesentlichen mit einer Yoon unterstützenden konservativen Partei und der linken Demokratischen Partei. Die Parteien verschmelzen gelegentlich mit anderen Listen ihres jeweiligen Spektrums oder benennen sich um. Was hingegen fehlt, ist eine liberale Partei.

Viele junge Koreaner stehen der Idee einer Wiedervereinigung skeptisch gegenüber

Als ich an der buddhistischen Dongguk University in Seoul spreche, fällt mir auf, dass die Stühle fest mit den Tischen verbunden sind. Ich empfinde das als sehr einschränkend, weil ich mich gerne auf und mit dem Stuhl bewege und manchmal schaukele. Ich fühle mich regelrecht eingezwängt und frage mich, wie man frei denken kann, wenn man nicht einmal frei mit dem Stuhl wippen kann. Bei vielen Vorträgen wird mein Film »Life behind the Berlin Wall« gezeigt, der gerade für Koreaner, die ja auch in einem geteilten Land leben, interessant ist. Zu dem Film gibt es inzwischen Untertitel in 16 Sprachen, und ich habe dafür gesorgt, dass vor meiner Korea-Reise auch koreanische Untertitel erstellt werden. Professor John Junggun Oh meint aber zu mir, dass es einen großen Unterschied zu Deutschland gebe: Insbesondere viele junge Koreaner stünden der Idee einer Wiedervereinigung skeptisch gegenüber, da sie eine große wirtschaftliche Belastung ihres Landes befürchteten.

Am nächsten Tag treffe ich Taekyu Lee vom Korea Economic Research Institute, ein marktwirtschaftlich ausgerichtetes Forschungsinstitut, das Politikberatung betreibt. Er erklärt mir, dass viel in Korea davon abhänge, wie man zu den USA steht. Wie in Deutschland gibt es Pro-und Antiamerikaner. Und wie in Deutschland gilt auch für die Antiamerikaner in Korea: »Der Feind meines Feindes ist mein Freund.« So erklärt er, dass es in Südkorea sogar Menschen gibt, die Kim Jong-un und Nordkorea gut finden. Eigentlich kaum zu glauben. Aber es ist der gleiche Reflex, der Antiamerikaner in Deutschland zu Putin-Freunden macht.

Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker und Soziologe – und war auch als Unternehmer und Investor erfolgreich. Er hat 29 Bücher geschrieben und herausgegeben, die in über 30 Sprachen übersetzt wurden (zuletzt „Weltreise eines Kapitalisten„, „Der Aufstieg des Drachen und des weißen Adlers: Wie Nationen der Armut entkommen„, „Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten„). In den vergangenen Jahren schrieb er Artikel oder gab Interviews in führenden Medien wie Wall Street Journal, Times, Le Monde oder Corriere della Sera. Seit kurzem kann auch eine Master-Class „Finanzielle Freiheit – Schluss mit der Durchschnittsexistenz“ belegt werden. Bei dem vorliegenden Beitrag handelt sich hier um einen von der Redaktion stark gekürzten Auszug aus Rainer Zitelmanns neuestem Buch, das insgesamt 41 Kapitel enthält.

Bild oben: Lustige Libertäre in Chile

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