
Wenn Schönheit zum Verbrechen wird
Eine Dystopie, die egalitären Utopien und sozialistischen Programmen den Spiegel ihrer desaströsen Resultate vorhält: Rainer Zitelmann legt den Roman “2075 Wenn Schönheit zum Verbrechen wird” vor. Eine Rezension.
Von Professor Dr. Peter Hoeres
Die USA im Jahr 2075: Ein Teenager wird von der Polizei abgeführt. Die Regierung hat beschlossen, überdurchschnittlich schöne Mädchen zwangsweise operieren zu lassen und ihnen damit ihre Schönheit zu nehmen. Sie will nicht länger die unverdienten Privilegien der Schönheit tolerieren: Erfolg im Studium, in der Geschäftswelt und bei der Partnerwahl. Die gruseligen Maßnahmen stehen am Ende einer Kampagne, die von der NGO „Movement for Optical Justice“ MOVE gegen die sogenannten PBs, die „Privileged Beauties“, geführt wurde. Diese werden digital in ihrem Aussehen bewertet und in einen Index einsortiert „Schön“ sollen sie entsprechend des gerechten Neusprechs aber nur noch in Anführungszeichen genannt werden. Die Unterströmung bildet ein scharfer Anti-Kapitalismus, der sich aber nicht mehr nur gegen die Akkumulation von Kapital, sondern eben auch gegen die natürliche Ungleichheit von Frauen wendet und die dadurch ungleich verteilten Lebenschancen. Männer bleiben einstweilen außen vor, wie beim Selbstbestimmungsgesetz unserer Tage richtet sich die letzte Wendung der Emanzipation auch hier primär gegen die Frauen.

Gegen die radikale Social-Justice-Politik des Jahres 2075 formiert sich Widerstand von Libertären, denen die Freiheit wichtiger als eine erzwungene Gleichheit ist. Ihre Basis haben sie in zwei künstlichen Städten auf dem Mars gefunden, wo sie eine staatsfreie Kolonie aufgebaut haben. Der Mond ist dagegen schon in die Fänge des Staates geraten. Immerhin kann man dorthin schöne Wochenendtrips unternehmen. Rainer Zitelmann erzählt seine Dystopie anhand der Entwicklung der hübschen Studentin Alexa, ihres reichen Freundes Daxon und des investigativen Journalisten Riven.
Eine freiheitliche Message
Natürlich sind diese Protagonisten die good guys in der der Story Zitelmanns, die MOVE- Bewegung, die Justice Partei und die Regierung samt Geheimdienst bilden die bad guys. Der Autor hat sich schon in zahlreichen Büchern und Vorträgen für die ökonomische und gesellschaftliche Freiheit und für den Kapitalismus stark gemacht und egalitäre Utopien und sozialistische Programme den Spiegel ihrer desaströsen Resultate vorgehalten. Neu ist, dass er dies nun in Romanform tut. Das Anliegen bleibt aber bestehen, Zitelmann will eine freiheitliche Message verkünden und vor einer die Freiheit schrittweise abschaffenden Politik warnen.
Die Erzählung ist ihm dafür Mittel zum Zweck. Es geht also nicht um Erzählkunst, sondern um Politik. Dabei wird der Plot aber durchaus spannend erzählt. Und mit Riven gibt es eine Figur, die vom Raster der erfolgreichen, schönen oder zumindest intelligenten Kapitalisten und Wissenschaftler einerseits und der hässlichen, von Neid zerfressenen Aktivisten andererseits abweicht. Riven ist bisexuell und nicht besonders attraktiv. Nach einem Anschlag verliert er sein Augenlicht. Trotzdem kämpft er unerschüttert und effektiv weiter und deckt die Korruption und Doppelmoral von Unternehmern und Politikern auf. Hier wird der der Leser an Zitelmanns Sachbuch über Behinderte erinnert, deren außergewöhnliche sportliche und künstlerische Leistungen er bewundernd beschrieben hat (Ich will: Was wir von erfolgreichen Menschen mit Behinderung lernen können, 2021).
“Ein Autor, der als Historiker gestartet ist, dann Journalist und Unternehmer wurde, und schließlich als freiheitlicher Missionar in der ganzen Welt unterwegs war, ist nun also Romancier geworden”
Auch andere Motive kommen den Zitelmann-Lesern durchaus vertraut vor: die Begeisterung für Raumfahrt und die menschliche Besiedelung des Mars, die Bewunderung für alle, die gegen den kollektivistischen Strom schwimmen, das Faible für schöne Frauen und guten Sex. Mit dieser Mischung wird es naturgemäß nicht langweilig bei der Lektüre, auch wenn das Happy End etwas vorhersehbar ist und auch im Vergleich zum Vorbild „1984“ von George Orwell allzu glücklich ausfällt.
Ein Autor, der als Historiker gestartet ist (Hitler: Selbstverständnis eines Revolutionärs, 1987, Neuauflage 2021), dann Journalist und Unternehmer wurde, im Anschluss an diese Karriere in der Soziologie ein zweites Mal promoviert worden ist (Psychologie der Superreichen. Das verborgene Wissen der Vermögenselite, 2017) und schließlich als freiheitlicher Missionar in der ganzen Welt unterwegs war, ist nun also Romancier geworden. Sicher wird das aber nicht die letzte Station in Zitelmanns Entwicklung sein. Man darf gespannt bleiben.
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Professor Dr. Peter Hoeres ist Professor für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören internationale Geschichte, Kulturgeschichte, Mediengeschichte sowie Wissenschafts- und Ideengeschichte.
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