Wer kauft wen: Droht jetzt eine Übernahmewelle?

Keine Kommentare Lesezeit:

Der M&A-Dienst Wer kauft wen von DDW verzeichnet 36 Transaktionen im März 2020. Noch waren die meisten dieser Transaktionen bereits vor der Krise geplant. Doch Übernahmen könnten auf die Tagesordnung kommen.

Zumindest, was die deutsche aktiengebundene Großindustrie angeht, stehen bei der Bundesregierung bereits die Alarmzeichen auf rot. Angesichts dramatisch einbrechender Kurswerte drohen so manche Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft in ausländische Hand zu geraten. Mit einer kurzfristigen Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes will das Bundeskabinett durch eine deutliche Verschärfung der Investitionskontrollen Einhalt gebieten.

Vor allem soll so der Abfluss von Fachwissen unterbunden werden. Die angeblichen Übernahmegelüste der USA an der Tübinger Firma Curevac, die an einem Impfstoff gegen das Coronavirus forscht, hat die Politik aufgeschreckt. Doch auch Automobilhersteller, Banken, Airlines oder Infrastrukturunternehmen könnten in ausländisches Interesse geraten. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat bereits verkündet, dass die aktuellen und zeitlich begrenzten Staatshilfen „bis hin zu Beteiligungen und Übernahmen“ gehen könnten, um in der Coronakrise einen „Ausverkauf“ deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen verhindern.

Ebenfalls der aktuellen Krise geschuldet sind die gesetzlichen Änderungen im Zuge des, in schönster Gesetzesprosa betitelten, neuen Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (WStBG). „Die vorgesehenen teilweise erheblichen Einschränkungen des Minderheitenschutzes begründet der Gesetzgeber mit den besonderen Umständen und damit, dass diese Sonderregelungen fest mit den Stabilisierungsmaßnahmen verknüpft seien, die nur unter bestimmten Voraussetzungen und zeitlich begrenzt Anwendung fänden“, erklärt  Dr. Peter Veranneman, Partner bei Bird & Bird, in einer Zusammenfassung.

„Begehrt ist vor allem der Mittelstand“

Die für einen globalen Wirtschaftsakteur wie Deutschland ungewöhnlichen Instrumente machen indes deutlich, was insbesondere vielen Mittelstandsunternehmen drohen könnte: aus der Not heraus übernommen zu werden. Begehrt sei vor allem der Mittelstand, sagt Thomas Meier, Fondsmanager bei Main First, im Gespräch mit ntv. Dort seien viele Unternehmen gut in Schlüsseltechnologien aufgestellt, wie im Werkzeug- und Maschinenbau oder in der Automatisierung.

Von besonderer Beeinträchtigung durch die Corona-Krise und den politischen Maßnahmen zu ihrer Eindämmung sind 80 Prozent der deutschen Unternehmen betroffen. Das legte der „Krisen-Radar“ von DDW, einer Bewertung der 20.000 wichtigsten Unternehmen in Deutschland, offen. Wobei gerade die kleineren unter ihnen eher von Insolvenz, denn von ausländischen Übernahmen bedroht sein dürften.

Keine „Regelungswut entfachen, die uns später ärgert“

Wie schnell sich die Zeiten ändern. Noch zum Jahreswechsel wurden Stimmen einer mangelnden Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen in Deutschland vernehmbar. So stellte die Umfrage „US-Business in Germany 2020“ von KPMG, für die 100 US-amerikanische Unternehmen in Deutschland befragt wurden, eine deutlich gedämpfte Investitionsbereitschaft der US-Unternehmen fest.

Schon rät Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), gegenüber DW bereits, an die Zeit nach Corona zu denken. Es solle keine „Regelungswut“ entfacht werden, „die uns in ein paar Monaten dann wieder ärgert“.

Einen Aufschub für angesichts der Corona-Folgen notleidende mittelständischen Unternehmen sollen die in diesen Tagen nochmals erweiterten Kreditmöglichkeiten für mittelständische Unternehmen bieten. Doch „Kredite haben nun einmal die Eigenschaft, dass sie zurückgezahlt werden müssen“, sagt der Chef der Düsseldorfer M&A-Gesellschaft Industrie Consult International, Rüdiger Goll, im DDW-Interview. Und das gäben die Businesspläne zur Zeit nicht her.

Chance Beteiligungen

Goll erwartet, dass ab der zweiten Jahreshälfte eine wachsende M&A-Aktivität zu verzeichnen sein wird, und kehrt dabei auch die positive Seite von Beteiligungskapital zur Eigenkapitalstärkung heraus: „Auf Investorenseite sind Mittel und Wille vorhanden, schnell zu helfen“. Im Blick hat er dabei vor allem Family Offices und vermögende Privatpersonen. Eine gesteigerte Sorge vor einem Ausverkauf aufgrund geringer Unternehmenswerte hat Goll nicht: Die typischen Opfer von „Glückrittern, deren Geschäft günstige Einstiegswerte sind“, seien vor allem Unternehmen, die bereits vor der Krise angeschlagen gewesen seien.

Einen relativ unauffälligen Kaufanteil von rund einem Drittel ausländischer Investoren an den Gesamttransaktionen sieht auch der aktuelle Deal-Monitor Wer kauft wen von DDW. Überhaupt verzeichnet dieser im März noch unveränderte Unternehmenskauf-Aktivitäten. Der monatliche Transaktions-Informationsdienst, der vor allem Dienstleistern und Beratungsunternehmen einen Überblick über neue aufgestellte Unternehmen verschafft, kann im März 36 Kauffälle melden, nach 38 im Januar und 39 im Februar diesen Jahres.

18 der 36 Käufe waren von ausländischen Investoren, Konzernen oder Beteiligungsgesellschaften. Die meisten von ihnen, fünf, kommen aus den USA, drei aus Großbrittanien.

Berater und IT-Unternehmen waren im März am häufigsten gefragt

Berater und IT-Unternehmen waren im März am häufigsten gefragt: acht Transaktionen stehen hier zu Buche. Besonders gefragt waren Softwarehersteller, ganze fünf Unternehmen wechselten hier den Besitzer. Dahinter ordnen sich Chemieindustrie mit fünf, sowie die Lebensmittelindustrie, Immobilien & Gebäudeservice und Maschinenbau mit jeweils drei Firmenverkäufen ein.

Auf Seiten der Großunternehmen gab es 13 Deals. Mittelunternehmen wurden 16 mal und Kleinuternehmen 7 mal verkauft. Besonders rege waren auf der Käuferseite Konzerne (11 Käufe) und Familienunternehmen (10).

Welche Unternehmen kommen in neue Hand? In welche Firmen wird neu investiert? Welche Gesellschaften sind auf Einkaufs- und Wachstumskurs, und wo bilden sich neue Allianzen? Der DDW-Infodienst Wer kauft wen bildet die relevanten Bewegungen im zeitnahen Monatsüberblick ab. Hier zur Bezugsmöglichkeit

Einige Unternehmensverkäufe aus dem März 2020 im Detail:

Die Gründer von Gigahertz, Wolfgang Dähn (2.v.r.) und Dipl.-Ing.Anton Gugg-Helminger (2.v.l.), suchten altersbedingt eine neune Heimat für ihr Unternehmen. Hier mit CEO Dr.-Ing. Bernd Arnold (re.) und CFO Heinz-Uwe Vogel der Bergmann Gruppe (Bild: Unternehmen)

Gigahertz-Optik ist jetzt Teil der Berghof Gruppe: Bei Berghof stehen die Zeichen auch in 2020 weiter auf Wachstum. So wurde die Gigahertz-Optik Vertriebsgesellschaft für technische Optik mbH aus dem bayerischen Türkenfeld bei München vollständig übernommen. Damit wächst die Berghof Gruppe von fünf auf sechs Tochtergesellschaften und von acht auf neun Geschäftsbereiche. Gigahertz-Optik ist seit mehr als 30 Jahren mit messtechnischen Lösungen für optische Strahlung in der Industrie national und international erfolgreich.

Seifenhersteller nach Sanierung verkauft: Nachdem die Kappus-Gruppe 2018 Insolvenz beantragt hatte, konnte der Insolvenzverwalter Franz-Ludwig Danko Anfang März mitteilen, dass die konsolidierte Unternehmensgruppe nach knapp eineinhalb Jahren Sanierung verkauft werden konnte. Neuer Besitzer ist die Ad_Astra Beteiligungs GmbH mit Sitz in München. Mit einem Jahresumsatz von rund 40 Millionen Euro und 150 Mitarbeitern gehört die 1848 gegründete Kappus-Gruppe zu den größten Seifenherstellern in Westeuropa.

Mit mehr digitalen Produkten möchte Dürr auch in Zukunft erfolgreich sein (Bild: Unternehmen)

Dürr stärkt seine Marktposition im Bereich digitale Produkte: Der Maschinen- und Anlagenbauer aus Bietigheim-Bissingen hat die Mehrheit an der Techno-Step GmbH mit Wirkung zum 9. März 2020 übernommen. Techno-Step ist auf die Entwicklung und Inbetriebnahme von Systemen zur Prozessdatenanalyse und -diagnose spezialisiert. Mit der Übernahme unterstreicht Dürr seine Strategie, auf Datenanalyse basierende Software-Lösungen zu entwickeln um so zum Beispiel die Befülltechnik (vgl. Beitragsbild) zukunftsorientiert weiterzuentwickeln. Kunden können damit die Verfügbarkeit ihrer Anlagen und die Effizienz ihrer Produktionsprozesse verbessern. Die Techno-Step GmbH wurde 2003 von Markus Schultheiß gegründet, der Geschäftsführer bleibt. Im Geschäftsjahr 2018/19 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 3,5 Millionen Euro.

Durch den Einstieg eines Investors können alle 200 Arbeitsplätze bei Bartolosch erhalten werden (Bild: Unternehmen)

Investor rettet Familienunternehmen: Nach dem Insolvenzantrag des Familienunternehmens Bartolosch in Friedewald, einem Zulieferer von montagefertigen Maschinenbauteilen und Baugruppen, kurz vor Weihnachten im letzten Jahr zitterten knapp 200 Mitarbeiter um ihre Existenz. Seit dem 1. März ist nun klar, die Arbeitsplätze können erhalten werden. Der neue Eigentümer ist die eigens für die Übernahme gegründete PMeeth Metallbearbeitungs GmbH, hinter der sich Investor Patric Meeth aus Daun (Eifel) verbirgt. Die über 75jährige Geschichte der Firma Bartolosch kann also weitergehen.

 

Mehr zum Thema:

Als Erste von Bewegungen erfahren: Wer kauft wen im DDW-Leserservice 
Die DDW-Rankingredaktion bildet mit Wer kauft wen aktuell die Firmenbewegungen von deutschen Klein- über Mittel- bis Großunternehmen ab. Vielfältige Unternehmensangaben und -kennziffern bieten eine hohe Datentiefe für professionelle Anwendungen. Hier als Excel-Liste ordern

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Language