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Wer nicht transformiert, stirbt
Familienunternehmen stehen in einem harten globalen Wettbewerb mit sich ständig und rasant verändernden Märkten. Ökonomien und die darin operierenden Familienunternehmen sehen sich einem kontinuierlichen Evolutions- bzw. Mutationsprozess gegenüber. Durch die Digitalisierung konkurrieren sie mit bereits bekannten und neuen Wettbewerbern, die in ihre Wertschöpfungsketten eindringen und ganze Branchen auf den Kopf stellen.
Von Arnold Weissman / Pascal Barreuther
Disruptive Innovation wird oftmals von Neueinsteigern getrieben. Sie starten häufig bei Nischenkunden oder in Nischenmärkten mit einem einfacheren und meist günstigeren Angebot. Anschließend entwickeln die Neueinsteiger das Angebot kontinuierlich weiter und ziehen somit nach und nach Kunden von den etablierten Unternehmen ab. Eine Idee kann auch anfangs einen disruptiven Charakter haben, stellt aber am Ende vielleicht gar keine Disruption dar. Im Laufe der Zeit können neue Erkenntnisse und Gegebenheiten aufkommen, in deren Folge sich der disruptive Charakter einer Idee abschwächen oder sogar verschwinden kann.
Ein Beispiel für eine Disruption, die wir miterlebt haben, ist der Sprung von der klassischen Fotografie zur Digitalfotografie. Eine völlig neue Technologie führte dazu, dass eine ganze Branche in die Notaufnahme musste. Kodak erzielte 1991 einen Umsatz von 19,4 Milliarden US-Dollar und war im Aktienindex S&P 500 gelistet. Nachdem die Digitalfotografie Anfang der 1990er-Jahre massentauglich geworden war und Kodak nicht mithalten konnte, lag der Wert der Aktie am 7. Dezember 2011 unter einem Dollar. Am 19. Januar 2012 stellte das Unternehmen einen Insolvenzantrag. Die Entwicklung war umso tragischer, als Steven Sasson, der bei Kodak arbeitete, bereits 1975 die erste Digitalkamera entwickelt hatte. Das Kodak-Management wollte davon jedoch nichts wissen.
Eine Disruption ist eine umwälzende Neuerung, gegen die bestehende Geschäftsmodelle oder/und Technologien keine Chance mehr am Markt haben. Disruptive Geschäftsmodelle stellen ganze Branchen auf den Kopf und verdrängen etablierte, erfolgreiche Unternehmen fast vollständig vom Markt. Laut Clayton M. Christensen finden disruptive Innovationen meistens in neuen Märkten und/oder am unteren Ende des vorherrschenden Marktes statt. Während die Etablierten noch auf ihre traditionellen Geschäftsmodelle und Produkte setzen, entgeht ihnen, dass eine Technologie ausgereizt ist und der hohe Weiterentwicklungsaufwand kaum noch einen Mehrwert für den Kunden bietet, weil dessen eigentliches Problem nicht beseitigt wird.
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Werden also grundlegende Marktveränderungen von den Marktführern nicht erkannt, besteht die Gefahr, dass die Unternehmen die Befriedigung der neuen Markt- und Kundenbedürfnisse versäumen und ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren geht. Sie erlauben so den disruptiven Geschäftsmodellinnovationen der neuen Wettbewerber – und auch der bekannten –, das etablierte und dominierende Geschäftsmodell am Markt anzugreifen. Dadurch nehmen sie sich selbst die Chance, der Angreifer oder Vorreiter zu sein. Versäumt es der Marktführer, sich kritisch zu hinterfragen und ist nicht in der Lage, mit einem disruptiven Geschäftsmodell vorwegzugehen, wird er durch einen (neuen) Wettbewerber angegriffen und/oder vom Markt verdrängt. Die Auswirkungen der Disruption treten für die Unternehmen meistens schnell, radikal und irreversibel auf. Ein rasanter Absturz des Marktführers ist unaufhaltsam. Auch Familienunternehmen sind der Gefahr der Disruption ausgesetzt. Denn große und mittelständische Familienunternehmen gleichermaßen treffen strategische Entscheidungen, die sowohl richtig als auch falsch sein können. Allerdings haben Fehlentscheidungen bei Familienunternehmen häufig wesentlich gravierendere Auswirkungen als bei Großkonzernen, die möglicherweise über ihren Zugang zum Kapitalmarkt bessere Möglichkeiten haben, Fehler zu korrigieren. Manchmal sind die Konzerne auch so groß, dass ihr Scheitern nach dem Motto »too big to fail« als systemrelevant eingeordnet wird. In solchen Fällen können diese Player häufig Zuflucht unter einem vom Staat aufgespannten Schutzschirm finden, was Familienunternehmen in der Regel verwehrt bleibt.
Als Unternehmer, Geschäftsführer und Manager sollten Sie sich deshalb im Hinblick auf die Zukunft Ihres Unternehmens drei zentrale Fragen stellen:
- Ist unser traditionelles Geschäftsmodell künftig noch tragfähig und können wir den kommenden Herausforderungen standhalten oder besteht die Gefahr, von einem (neuen) Wettbewerber disruptiert zu werden?
- Welchen Weg müssen wir gehen, um veränderten Marktbedingungen gerecht zu werden oder sie sogar selbst einzuleiten?
- Auf welche Weise werden wir künftig auf Kundenseite für einen Mehrwert sorgen?
Es ist die Kernaufgabe jedes Unternehmens, das weiterhin am Markt erfolgreich sein möchte, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Ob Sie sich der Aufgabe stellen und wie Sie sie lösen, ist für Ihr Unternehmen überlebenswichtig.
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Prof. Dr. Arnold Weissman ist Professor für Unternehmensführung an der OTH Regensburg. 1987 gründete er das Beratungsunternehmen Weissman & Cie., das von der Wirtschaftswoche mit dem Best-of-Consulting-Award zur „besten Strategieberatung“ und mit dem Qualitätssiegel „TOP CONSULTANT 2013, 2014, 2015, 2016“ für die hohe Kompetenz und Beratungsleistung für den deutschen Mittelstand ausgezeichnet wurde. Das Unternehmen ist in Nürnberg, Österreich, Italien und der Schweiz vertreten.
Pascal Barreuther ist Management Consultant – Operations Performance & Strategy bei MHP – A Porsche Company. Seine Schwerpunkte liegen bei der digitale Transformation Familienunternehmen, dem Innovationsmanagement und der Entwicklung und Implementierung von digitalen und/oder disruptiven Geschäftsmodellen.
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