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Wer seine eigene Sprache nicht findet, hat im Wettbewerb oft nichts mehr verloren
Er ist einer der Vorreiter des Themas „Unternehmenssprache“ im deutschsprachigen Raum und seine Agentur REINSCLASSEN eine der meistausgezeichneten in Deutschland: Armin Reins im Gespräch anlässlich seines 20-jährigen Agenturjubiläums.
Herr Reins, herzlichen Glückwunsch zum 20-jährigen Agenturbestehen. Bis heute führen Sie mit REINSCLASSEN die einzige „Agentur für Sprache“ im deutschsprachigen Raum. Was war Ihr Antrieb mit dieser ungewöhnlichen Alleinstellung an den Start zu gehen?
Armin Reins: Vielen Dank. Anfang des Jahrtausends war zu erkennen, dass die Inszenierung von großen, bunten Bildern nicht mehr ausreichen würde, um die Menschen noch von einem Produkt oder von einer Dienstleistung überzeugen zu können. Denn schließlich wird nicht nur die Welt immer komplexer, auch die Menschen werden immer informierter und mündiger. Sie wollen das große Ganze verstehen. Sprache wurde immer wichtiger im Marketing und in der Markenführung. Der gesellschaftliche Umbruch durch die Digitalisierung und der Einzug der Algorithmen in alle Lebensbereiche beschleunigten das Ganze noch. Alles zusammen spielte bei unserer Gründung eine große Rolle.
Sie haben dann aber nicht einfach eine Text-Agentur gegründet, sondern gleich ein neues Markenmodell entwickelt – die Corporate Language. Weshalb?
Wir waren der Meinung, dass eine Corporate Identity erst vollständig ist, wenn es neben dem Corporate Design (CD) auch eine Corporate Language (CL) gibt. Im Prinzip ist das ein naheliegender Gedanke, wenn man Folgendes bedenkt: Jedes Unternehmen achtet penibel auf seine Farbgebung, seine Typographie, seine Schriftgrößen, seine Bildwelten, seine Layouts – und vernachlässigt dann seine Sprache? Wie kann das sein? Wo könnten die Markenwerte, die Philosophie eines Unternehmens besser zum Ausdruck kommen als in der Sprache? So wie Unternehmen mit dem CD ihr visuelles Erscheinungsbild definieren, so können sie seitdem mit der CL auch ihr sprachliches festlegen.
Dieses Modell haben Sie damals in einem Buch festgehalten. Stimmt es, dass Sie Ihre Agentur mit diesem Buch, aber ohne Kunden gegründet haben?
Ja, tatsächlich. Zuerst war unser Buch „Corporate Language“ da. Die ersten Kunden kamen aber fast gleichzeitig. Es waren Gräfe und Unzer, IKEA, NIVEA und AIDA. Mittlerweile sind viele dazugekommen. Bis heute haben wir für über 80 Unternehmen und Marken eine Corporate Language entwickelt.
„Immer wieder ploppen neue Sprachthemen auf. Einfache Sprache, Leichte Sprache? Wie bekommen Unternehmen das bis Mitte des Jahres realisiert?„
Corporate Language ist jedoch nicht alles, was Sie anbieten. Sie sind auch in B2B erfolgreich unterwegs. Und auch da haben Sie eine Alleinstellung.
Richtig. Wir dürfen wohl mit Stolz behaupten, dass wir die meisten Effizient- und Kreativ-Preise im Bereich B2B gewonnen haben. Allein in sechs Jahren acht Effies. Das ist quasi der „Oscar“ der Kommunikationsbranche. Denn auch B2B hat viel mit Sprache zu tun: Komplexes will einfach erklärt werden, Abstraktes muss begreifbar gemacht werden. Marken und Unternehmen brauchen in einem fast schon austauschbaren Wettbewerberkreis ihre einzigartige Mehrwert-Story. Auf dem Markt herrscht – und da sind wir wieder bei der Digitalisierung – ein Paradoxon: Die Kunden wollen immer mehr erfahren, aber immer weniger lesen. In diesem Umfeld werden prägnante, kurze, wirkungsvolle Texte immer mehr zur Kunst.
DDW-Webinar: Einfache Sprache – einfach verständlich
Das DDW-Online-Webinar erklärt die wichtigsten Punkte der Einfachen Sprache. Und zeigt anhand praktischer Beispiele, was das für Unternehmenstexte bedeutet. Für das DDW-Leser-Webinar konnten wir der Hamburger Markenberatung REINSCLASSEN einen der renommiertesten Sprach-Spezialisten Deutschlands gewinnen. Es gibt zwei Terminoptionen für den Workshop: 25. März und 3. April 2025. Hier zur Anmeldung
Wie haben sich die Aufgaben Ihrer Agentur in den letzten Jahren verändert?
Sprache ist bekanntlich ständig im Wandel. Dass sehen wir an unseren Aufgabengebieten. Immer wieder ploppen neue Sprachthemen auf. Wird aus der Sie- eine Du-Gesellschaft? Wie spricht man die Generation Z an? Brandaktuell ist das Thema der Integration von KI in den Arbeitsprozess des Texters. Weiter hochbrisant ist der richtige Umgang mit dem Gendern. Dann fragen Unternehmen momentan verstärkt um Rat, wenn es um die richtigen Worte in ihren Nachhaltigkeitsberichten geht. Stichwort CSRD. Und durch die neue EU-Gesetzgebung rückt gerade die barrierefreie Sprache in den Fokus. Einfache Sprache, Leichte Sprache? Wie bekommen Unternehmen das bis Mitte des Jahres realisiert? Dazu veranstalten wir übrigens, wenn ich das kurz erwähnen darf, am 25.3. und 3.4. Webinare bei DDW. Sie sehen: Das Thema Sprache wird nie langweilig.
Bleiben wir kurz beim Thema KI. Provokant gefragt: Macht die KI den Texter nicht mittelfristig arbeitslos?
Nein, ganz im Gegenteil. Die KI kann den Texter unterstützen. Sie hilft ihm etwa bei der Recherche oder beim Vorformulieren. Meiner Meinung nach sollte sie nicht als Bedrohung, sondern als Chance gesehen werden. Sie ist ein weiterer Teil des technischen Fortschritts. Von der Schreibmaschine über den Computer bis zur KI waren und sind dies alles Hilfsmittel, um dem schreibenden Menschen die Arbeit zu erleichtern. Die KI ist beispielsweis sehr hilfreich, wenn es darum geht, einem mühsame und monotone Schreibarbeit abzunehmen. Denken Sie beispielsweise an Schriftstücke von Behörden oder Banken. Dadurch bekommt der Texter wieder mehr Freiheit für sein wahres Können, dem kreativen Schreiben. Die KI macht sichtbar, was das Besondere an uns Menschen ist: die Fähigkeit, das Unerwartete, das Unberechenbare zu kreieren.
Und auch da leisten Sie Hilfestellung.
Ja, durch unsere Kooperation mit neuroflash. Und wir geben für Texter und Textverantwortliche Seminare zum Thema „Kreatives Online-Texten in Zeiten von KI“.
Und gute Texte verkaufen wirklich besser?
Da müssen Sie in erster Linie wohl unsere Kunden wie Lufthansa, Lexware, die Haufe Akademie, ZEISS, o2 Business, BMI oder die Deutsche Glasfaser fragen. Meine Antwort lautet definitiv ja! Weil gute Texte unterhalten, informieren und überzeugen. Weil sie Produkte emotionalisieren. Weil sie es schaffen, dass sich Kunden mit ihnen identifizieren. Weil sie immer exakt die Sprache der jeweiligen Zielgruppe sprechen und deren Tonalität treffen. Und weil sie die Käufer genau bei deren Bedürfnissen abholen. Daran wird sich auch in den nächsten 20 Jahren nichts ändern.
- Einfache Sprache für Unternehmen – einfach erklärt
- Interview mit Armin Reins: Wie Sprache den Unternehmenserfolg bestimmt
- Armin Reins im Lexikon des Chefwissens
Armin Reins arbeitet seit vier Jahrzehnten in der Kommunikationsbranche. Er streitet jeden Tag selbst für bessere Text-Qualität in seiner eigenen eigenen Agentur REINSCLASSEN. Die Markenberatungs- und Werbeagentur mit Sitz in Hamburg und Frankfurt gehört zu den am meisten mit Awards ausgezeichneten B2B-Agenturen Deutschlands. Zu ihren Kunden gehören u.a. O2, Lexware, Lufthansa, Zeiss. Er hat zahllose nationale und internationale Kreativ- und Effizienzpreise gewonnen und sechs Bücher über Sprache in der Kommunikation geschrieben. Zuletzt erschien von ihm (zusammen mit Géza Czopf und Veronika Classen) „Corporate Language – das Praxisbuch“ im Verlag Hermann Schmidt.
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