Werbewirtschaft trotzt Rezession – doch vor allem die US-Techs profitieren

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Die deutsche Werbewirtschaft hat sich 2024 bemerkenswert widerstandsfähig gezeigt: Entgegen der schrumpfenden Gesamtwirtschaft wuchs das Marktvolumen insgesamt um 2,2 Prozent auf 49,87 Milliarden Euro. Doch bauen wenige Gatekeeperplattformen in der datenbasierten Online-Werbung ihre überragende Markt- und Datenmacht aus.

Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. hat die Branchenzahlen für das Jahr 2024 vorgelegt – und vermeldet ein deutliches Plus: Die Branche kratzte mit einem Gesamtvolumen von nahezu 50 Milliarden Euro an der symbolträchtigen Marke und zeigt damit in der Summe einen bemerkenswert stabilen Kurs.

Vor allem der Digitalbereich setzte seinen Gesamtaufwärtstrend mit einem Plus von 9,0 Prozent fort und kann die Zuwächse aus dem Jahr davor sogar noch leicht steigern. Außenwerbung legte um herausragende 24,6 Prozent zu, digitale Außenwerbung sogar um 35,6 Prozent. Fernsehen und Bewegtbild verzeichneten insgesamt 2,5 Prozent Zuwachs; linear schrumpfte das Segment leicht (–1,9 Prozent), während digitale Videoformate mit 13,6 Prozent deutlich an Bedeutung gewannen. Radio und Audio wuchsen moderat um 2,6 Prozent. Der Print-Bereich erlitt mit –6,9 Prozent insgesamt deutliche Einbußen, wobei hier die Wochen- und Sonntagszeitungen als einzige Untergruppe ein Plus verzeichnen.

Erstmals geht mehr als die Hälfte der Werbeausgaben in Online-Werbung

Bei den weiteren Formen verzeichnete das Sportsponsoring 2024 ein Wachstum von 6,8 Prozent auf 5,50 Mrd. Euro, was durch Großereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele begünstigt wurde. Im Bereich der Kataloge und Werbedrucke sank der Produktionswert um 15,5 Prozent auf 3,08 Mrd. Euro. Trotz anhaltender Herausforderungen durch bürokratische Hürden erzielte die haptische Werbung ein leichtes Umsatzplus von 2,5 Prozent auf 3,16 Mrd. Euro.

Erstmals entfielen über 50 Prozent der Nettowerbeeinnahmen auf Online-Werbung – eine Tendenz, die die anhaltende Verschiebung hin zu digitalen Kanälen unterstreicht.

Woher die guten Ergebnissen kommen

Während das Bruttoinlandsprodukt im Jahresverlauf schrumpfte, hielt die Werbewirtschaft gegenläufig Anschluss an ihr Wachstum. Für die aggregierten Daten und die stark unterschiedlichen Gattungsentwicklungen auf der Werbeträgerseite sind laut ZAW eine Reihe von konjunkturellen, strukturellen und wettbewerblichen Faktoren verantwortlich:

  • Branchenstruktur: Die Rezession des Jahres 2024 traf besonders hart das produzierende Gewerbe sowie Industrie- und Export, die nicht für Spitzeninvestitionen bei der Marktkommunikation stehen. Konsumgüterhersteller und der Handel – mittlerweile Großkunden im Werbemarkt – blieben relativ robust und investierten weiter in ihre Kommunikation.
  • Sportliche Großereignisse: Die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und die Olympischen Spiele sorgten für zusätzlichen Werbedruck und gaben der Branche insgesamt und manchen Werbeträgern im Besonderen Impulse.
  • Rezession stärkt Performance-Orientierung: Neben dem ungebrochenen strukturellen Langfristtrend in Richtung digitaler Werbeträger haben Werbungtreibende angesichts des Kostendrucks und großer Unsicherheiten im Jahr 2024 größeres Gewicht auf absatzsteigernde Performance gelegt und vertrauen dabei insbesondere auf die ohnehin marktdominanten Plattformen und deren Datenmacht.
  • Wettbewerbsprobleme befeuern intramediale Konzentration bei der Online-Werbung: Ausschlaggebend für die Schieflage bei den digitalen Werbeträgern zugunsten weniger Gatekeeperplattformen ist nach wie vor deren überragende Markt- und Datenmacht. Deshalb öffnet sich die Schere auch innerhalb des konjunkturell robusten Segments der datenbasierten Online-Werbung immer weiter. Die wiederum hierfür ursächlichen Wettbewerbsdefizite sind bekannt und gut belegt. Sie sind jedoch trotz modernisierter Regulierung noch nicht durchgreifend eingehegt. In der Konsequenz führt dies zu einer immer weiter unter Druck geratenden ökonomischen Basis vieler digitaler Dienste, insbesondere journalistischer Medienangebote, und abnehmender Medienvielfalt.

“Für 2025 ist zu erwarten, dass die globalen Plattformen Google, Amazon und Meta sowie – stark steigend – TikTok knapp 72 Prozent der Digital-Investments auf sich vereinen”

Ausblick auf 2025

Für 2025 ist zu erwarten, dass die globalen Plattformen Google, Amazon und Meta sowie – stark steigend – TikTok knapp 72 Prozent der Digital-Investments auf sich vereinen, was den Handlungsspielraum für andere Anbieter in der digitalen Kundenansprache in Deutschland weiter einschränkt.

Eine mit 2024 vergleichbare positive Entwicklung der Gesamtwerbekonjunktur ist nicht ausgeschlossen. Die Prognoserisiken sind laut ZAW angesichts der nochmals unsicherer gewordenen globalen Wirtschaftsentwicklung wegen der US-amerikanischen Zollpolitik jedoch sehr hoch. Jedenfalls das erste Halbjahr 2025 könnte im Vergleich zu 2024 abfallen. Ob und wann das vereinbarte Investitionspaket der neuen Bundesregierung und strukturelle Reformen für einen Aufschwung bei der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sorgen, ist offen. Der ZAW sieht hier Potential auch für die Werbewirtschaft, längerfristig drohen hierdurch aber erhebliche Belastungen. Wesentlich wird sein, ob die auf nationaler Ebene überwiegend produktiv formulierte spezifische Agenda für die Branche Widerhall in Brüssel findet. Die Befürchtung, dass sich die mehr denn je benötigte wettbewerbsorientierte Politik und Gesetzgebung auf EU-Ebene nicht durchsetzt, ist ernst zu nehmen.

Werbewirtschaft sieht politische Handlungsbedarfe

“Es droht ein Bürokratiemonster noch nicht gesehenen Ausmaßes”: Der Präsident des ZAW Andreas F. Schubert

„Die robuste Entwicklung der Werbewirtschaft in der Rezession hat wegen der Hebelwirkung von Werbeinvestitionen sicherlich auch gesamtwirtschaftlich geholfen. Entscheidend ist jetzt, mit kluger Politik weiter Wachstum zu fördern und alles zu unterlassen, was dem entgegensteht. Teile der Branche, gerade die, die einen besonderen public value für den demokratischen Zusammenhalt erzeugen, stehen vor großen konjunkturellen, strukturellen und technologischen Herausforderungen”, so Andreas F. Schubert, Präsident des ZAW. Deshalb sei es unerlässlich für faire Wettbewerbs- und Vermarktungsbedingungen zu sorgen, um die Chancen von Digitalisierung und KI allen Marktteilnehmer und der Gesellschaft zu sichern und sie nicht nur den Gatekeepern des Internets zu überlassen. Dafür müsse an einigen Stellschrauben gedreht werden.

„Mit der in Verhandlung befindlichen Green-Claims-Richtlinie droht ein Bürokratiemonster bislang noch nicht gesehenen Ausmaßes”

Von der neuen Bundesregierung fordert Schubert, ihr Programm wider neuen Werbeverboten und bürokratischer Überregulierung auch auf europäischer Ebene konsequent zu vertreten. „Mit der in Verhandlung befindlichen Green-Claims-Richtlinie droht ein Bürokratiemonster bislang noch nicht gesehenen Ausmaßes. Die neue Bundesregierung und die Mitte des EP sollte hier für Maß und Mitte sorgen und das Vorhaben neu aufsetzen.“ Weiterhin müsse, so Schubert, auf EU-Ebene eine praktische Politik pro Datennutzung und datenbasierter Geschäftsmodelle initiiert werden. „Inkohärente Detail-vorgaben und Eingriffe bei benötigten Geschäftsmodellen, etwa mit Blick auf die Nutzung von digitalen Angeboten gegen Bezahlung oder die Preisgabe von Daten zur Werbefinanzierung, sollte entschieden entgegengetreten werden. Es geht hier um beides: Die Medienvielfalt und die digitalen Chancen des Mittelstands.“

Akuten Handlungsbedarf auf nationaler Ebene sieht der ZAW mit Blick auf zusätzlich restriktive Vorgaben beim Telefonmarketing. Sie würden insbesondere die Refinanzierungsbasis von Verlagen eklatant beschädigen. „Dies steht im Widerspruch zur Ausrichtung des Koalitionsvertrags und bedeutete nichts anderes als die Errichtung von neuerlicher Bürokratie in einem Bereich, der dies am wenigsten verkraften kann“, so der ZAW-Präsident.

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Bild von Frank Rietsch auf Pixabay

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