Eine Blaupause für die kommende Bundesregierung und die EU-Kommission

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Reihe Deutschland im Aufbruch / Nicht nur Deutschland, die ganze EU steht vor gewaltigen Herausforderungen, hat mit unzureichender Wettbewerbsfähigkeit und geringem Wirtschaftswachstum zu kämpfen. Und nicht nur in Deutschland, auch in der EU, werden massive, teils schuldenfinanzierte öffentliche Investitionen gefordert. Es gibt jedoch noch eine Alternative zu diesen Ansätzen: Eine Bottom-up-Innovationspolitik.

Die wirtschaftliche Lage lässt sich nicht mehr schönreden. Die Zeit des politischen Handelns ist gekommen. Was ist jetzt zu tun, damit Deutschland auch in Zukunft handlungsfähig bleibt und seine Wirtschaft stark und dynamisch? Im Vorfeld der Bundestagswahl bringt DDW mit seiner Reihe „Deutschland im Aufbruch“ Fahrpläne für die Fahrt Richtung Wohlstand.(Red.)
> Folge 1: Wachstumswende: Wie es auch diesmal sein muss
> Folge 2: „Der Staat ist stark, wo er schwach sein sollte und schwach, wo er stark sein sollte“

Von Friedhelm Gross

Die EU steht vor gewaltigen Herausforderungen, wichtige Säulen der Erfolgsgeschichte der EU sind am Wanken. Es herrscht wieder Krieg in Europa. Gleichzeitig ist mit den USA der wichtigste NATO-Partner nicht mehr bereit, seinen Teil der Kosten für die europäische Sicherheit aufzubringen. Der Welthandel, zusammengehalten durch multilaterale Institutionen wie die Welthandelsorganisation und hart erkämpfte Handelsabkommen, droht zu fragmentieren. Zollspiralen und Wirtschaftskriege sind wieder ernst zu nehmende Szenarien. Hinzu kommen eine unzureichende Wettbewerbsfähigkeit und geringes Wirtschaftswachstum.

Es muss ein Ruck durch die EU gehen

Soll die EU diesen Herausforderungen gerecht werden und gleichzeitig ihre Transformationsziele erreichen, muss eine innovationsfreundliche Politik dringend Priorität werden. Das betonte auch der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi, als er im September 2024 bei der Veröffentlichung seines von der EU-Kommission beauftragten Berichts The Future of European Competitiveness von „Slow Agony“ sprach. Auch Enrico Letta, ebenfalls ehemaliger italienischer Ministerpräsident, sowie Christian Noyer, ehemaliger Gouverneur der Banque de France, kamen in zwei viel gelesenen Berichten zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Die zentrale Frage ist jedoch, wie die massiven Investitionsbedarfe bis 2030 finanziert werden können (etwa 1 Billionen Euro pro Jahr).

Die grüne Transformation (700 Milliarden Euro), die digitale Transformation (125 Milliarden Euro) und notwendige Investitionen in Verteidigung treiben die Investitionsbedarfe in die Höhe. Draghi betont immer wieder, dass massive, teils schuldenfinanzierte öffentliche Investitionen auf EU-Ebene nötig seien, u.a. um die Innovationslücke zu den USA zu schließen. Er fordert eine koordinierte industriepolitische Agenda als Alternative zu den sonst unkoordinierten Industriepolitiken der Mitgliedstaaten. Es gibt jedoch noch eine Alternative zu diesen Ansätzen: die sogenannte Bottom-up-Innovationspolitik. Diese habe ich in einem Papier im Rahmen eines Kooperationsprojektes des Ludwig-Erhard-Forums für Wirtschaft und Gesellschaft, dem Think-Tank der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V., gemeinsam mit dem European Policy Information Center und Prometheus – Das Freiheitsinstitut veröffentlicht.

Private Investitionen besser mobilisieren

Die Bottom-up-Innovationspolitik zielt darauf ab, die Rahmenbedingungen für Innovation zu verbessern und private Investitionen zu stimulieren. Private Investitionen, insbesondere in Forschung und Entwicklung (F&E), sind entscheidend. Im März 2000 setzte sich die EU in der Lissabon-Strategie das Ziel, 3 % des Bruttoinlandsproduktes für F&E aufzubringen und außerdem der dynamischste Wirtschaftsraum weltweit zu werden. Indes verbleibt die EU bei ungefähr 2 % und fällt damit hinter den führenden Industrienationen immer mehr zurück.

Friedhelm Gross ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und Gesellschaft, dem Berliner Think Tank der Ludwig-Erhard-Stiftung e.V.

Während die öffentlichen F&E-Investitionen im Vergleich zu den USA ähnlich ausfallen, lässt sich ein großer Unterschied bei den privaten Investitionen feststellen. Während US-Unternehmen 2,3 % des BIP in F&E investieren, werden in der EU nur 1,2 % investiert.

Der Grund hierfür sind die schlechten Rahmenbedingungen für Innovationen. Industriepolitische Innovationsförderprogramme helfen dabei wenig, da sie häufig veraltete Strukturen konservieren und oft eine teure Innovationsförderbürokratie schaffen.

Eine Blaupause für die neue EU-Kommission und die kommende Bundesregierung

Während bestehende Innovationsförderprogramme effizienter gestaltet werden können, sind insbesondere die Rahmenbedingungen für Innovation zu verbessern.

Die Finanzierung von Innovation schwächelt u.a. an einer unzureichenden privaten Anlegerbasis und der Fragmentierung der Kapitalmärkte. Die Etablierung langfristiger Sparprodukte, die Wiederbelebung des Verbriefungsmarktes und eine besser integrierte Aufsicht für Kapitalmarktaktivitäten kann die Finanzierung von Innovation verbessern. Dabei könnten Rentenreformen der Mitgliedstaaten hin zu mehr Kapitaldeckung entscheidende Impulse senden.

Die Schaffung eines optionalen „28. Regimes“ ist eine gangbare Alternative zur traditionellen und komplizierten Harmonisierung des nationalen Rechts der 27 Mitgliedstaaten. Damit kann ein einheitlicher neuer Rechtsrahmen geschaffen werden, der Unternehmensgründungen und das bürokratiearme grenzüberschreitende Wirtschaften erleichtert.

Neben Technologieoffenheit und der Stärkung marktwirtschaftlicher Instrumente wie dem CO2-Emissionshandel ist es entscheidend, die Kosten am Standort zu senken. Denn hohe Energiepreise, Steuern und Umstrukturierungskosten, der demografische Wandel sowie insbesondere die überbordende Bürokratie schrecken Investitionen massiv ab.

Ein Paradigmenwechsel beim Bürokratieabbau

Allein seit dem Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft trat, hat sich das Volumen der Gesetzgebung auf 20 Millionen Wörter etwa verdoppelt. Forschung aus den USA lässt vermuten, dass die Kosten dieser Normenakkumulation viel höher sind als häufig angenommen. Leider fehlt ein entsprechender Ansatz in der EU und sollte dringend implementiert werden. Der Erfüllungsaufwand, der eine Schätzung der direkten Gesetzesfolgekosten darstellt, ist zwar ein erster Indikator, übersieht jedoch drei wichtige Aspekte:

Erstens wird nicht das absolute Niveau der Kosten abgebildet, sondern deren Veränderung ausgehend von einem genullten Startwert. Zweitens behandelt die Methode Normen isoliert, weshalb Interaktionskosten zwischen einzelnen Normen im Zuge von Normenakkumulation weitgehend unbeachtet bleiben. Drittens werden die langfristigen Folgen auf das Wirtschaftswachstum nicht berücksichtigt.

Forscher vom Mercatus Center der George Mason University haben berechnet, dass die US-Wirtschaft bei Beibehaltung des Regulierungsniveaus von 1980 im Jahr 2012 um etwa 25 % größer gewesen wäre. Die EU sollte daher dringend einen Ansatz implementieren, der die sektorspezifischen Auswirkungen von Regulierung auf das Wirtschaftswachstum sichtbar macht.

Etwa zeitgleich mit der Veröffentlichung meines Papiers hat die EU-Kommission ihren Wettbewerbskompass vorgestellt. Erfreulicherweise finden sich darin einige der in meinem Papier thematisierten Empfehlungen. Eine entschlossene Umsetzung der angekündigten Reformen wäre der Ruck, den die EU so dringend benötigt.

Hier zum vollständigen Impulspapier:
Impulse zu Innovation und Bürokratieabbau: Eine Blaupause für die neue EU-Kommission und die kommende Bundesregierung
Das Impulspapier ist die nationale Fassung eines Papiers, das ein Kooperationsprojekt von 11 europäischen Think Tanks unter der Federführung des European Policy Information Centers (EPICENTER) ist. Das erste Kapitel des übergeordneten EU-Papiers ist bereits online: Reviving Europe’s Competitive Edge – EPICENTERNähere Informationen zur Kampagne finden Sie hier: https://www.ludwig-erhard.de/aktuelles/kampagne/

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