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Nachhaltigkeit: Generationenkonflikt oder Wettbewerbsvorteil?
Den Puls der Zeit erfahrbar machen – dafür steht alljährlich der Campus for Family Business an der WHU Otto Beisheim School of Management. In Vallendar trafen sich auch dieses Jahr namhafte Familienunternehmer. Das Thema „Nachhaltiges Unternehmertum“ hatte in Krisenzeiten wie diesen brisante Aktualität.
„Familienunternehmen brauchen pragmatische und nicht ideologische Lösungen“, waren die Worte von Bernhard Simon, Vorstandsvorsitzender des Logistikdienstleisters Dachser (Rang 43 im Ranking der größten Familienunternehmen) und neben Alfred Ritter ebenfalls Schirmherr des diesjährigen WHU Campus for Family Business, mit denen er die Konferenz begann. Zuvor hatte Professor Dr. Nadine Kammerlander, Inhaberin des Lehrstuhls für Familienunternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management, den Campus offiziell eröffnet und kurz ihre jüngsten Forschungsergebnisse zu inhabergeführten Unternehmen in Deutschland vorgestellt. Das übergeordnete Thema der Veranstaltung in der Stadthalle Vallendar: Nachhaltiges Unternehmertum – Generationenkonflikt oder Wettbewerbsvorteil?
„In ein Morgen investieren, in dem wir gerne leben wollen“
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Schirmherr und Dachser-Chef Bernhard Simon beschrieb, wie sein Unternehmen und dessen Fuhrunternehmer zu den Hochzeiten der COVID-19-Pandemie auch in Wuhan oder Bergamo unterwegs waren, um die Versorgung dieser Gebiete sicherzustellen. Mit dem Ergebnis zeigte er sich zufrieden: Durch Flexibilität und Verlässlichkeit konnte Dachser in der Krise sogar Kunden dazugewinnen. Der Schirmherr konstatierte, dass Familienunternehmen am Kundennutzen und nicht am Shareholder Value orientiert sein müssten. „Nachhaltige Unternehmer müssen in ein Morgen investieren, in dem wir gerne leben wollen“, so der Familienunternehmer.
Wie sämtliche Veranstaltungen stand auch der Campus for Family Business in diesem Jahr unter dem Eindruck der Corona-Regularien. So musste die Veranstaltung in die Stadthalle Vallendar ausweichen, um ausreichenden Abstand zu gewährleisten – nur eine von zahlreichen Maßnahmen. „Der – sowohl personelle als auch finanzielle – Aufwand für die Corona-konforme Durchführung der Veranstaltung war erheblich. Wir mussten unter anderem ein tragfähiges Hygiene-Konzept erstellen, einen Sicherheitsdienst engagieren, genügend Desinfektionsmittel und Masken bereitstellen und die Technik-Ausstattung hochfahren. Aber es hat sich gelohnt. In Summe – vor Ort und digital Teilnehmende zusammengengezählt – hatten wir in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung“, so Prof. Kammerlander. Die Ausrichter hatten im Vorfeld dafür gesorgt, dass die Teilnehmenden auch online bei Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden aktiv mitmachen konnten.
Alfred Theodor Ritter: „Wirtschaften im Einklang mit Mensch und Natur“
„Ich sage gerne, dass wir als Familienunternehmen per se nachhaltig wirtschaften, weil es uns selbstverständlich immer darum geht, unser Unternehmen für die Zukunft und die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Deshalb spreche ich auch lieber von Zukunftsfähigkeit als von Nachhaltigkeit, diesem heute so inflationär genutztem Begriff. Dieses Denken in Generationen ist Teil unserer DNA. In unserem Unternehmen haben wir daraus einen klaren Anspruch an uns selbst formuliert: „Wir wirtschaften im Einklang mit Mensch und Natur“. Als Schokoladenhersteller produzieren wir ein Naturprodukt. Alles, was wir für die Schokolade brauchen, liefert uns die Natur. Meine Aufgabe als Unternehmer muss es daher sein, die natürlichen Ressourcen zu schonen, den Klimawandel aktiv zu bekämpfen. Eine auch in Zukunft intakte Umwelt liegt also in meinem Interesse als Unternehmer ebenso wie als Vater und Großvater.“
Alfred Theodor Ritter ist Eigentümer der Alfred Ritter GmbH & Co. KG und Ritter Gruppe (Rang 563 Top-Familienunternehmen)
Spannende Inhalte und Best-Practice-Beispiele gab es so auch im hybriden Format zu erleben, beispielsweise bei der Podiumsdiskussion „Nachhaltige Führung mit Vision“. Denn zu den sechs Mittelständlern der Runde zählte auch Martin Kind, vielen möglicherweise eher als ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Hannover 96 bekannt, statt als Geschäftsführer der Kind-Gruppe (Rang 965 Top-Familienunternehmen). Er erläuterte, dass die strategische Grundausrichtung eines Familienunternehmens zwar feststehen sollte, aber dennoch Raum für Anpassungen gegeben sein muss. Laut Kind muss die neue Generation beim Einstieg ins Unternehmen auch Innovationen mitbringen. Einen ähnlichen Blick auf die nachfolgende Generation hatte auch Unternehmerin und Diskutantin Karen Queitsch. Sie ist seit 2019 Geschäftsführerin „Nachhaltigkeit und Innovation“ der SUND Holding. In der Podiumsdiskussion sprach sie sich dafür aus, branchenübergreifend Nachhaltigkeit, Unternehmenstätigkeit und Kommunikation auf den neuesten Stand zu bringen, um möglichst ressourcenschonend zu arbeiten.
Nachhaltigkeit hat auch eine digitale Komponente
Spannende Vorträge gab es unterdessen auch von Schirmherr Alfred Ritter und Aya Jaff. So hat Ritter als Enkel des Gründers das Familienunternehmen Ritter Sport in den vergangenen Jahren entscheidend in Richtung ökologischer Nachhaltigkeit und fairer Löhne transformiert. Die Firma erwarb Land in Nicaragua und stieg selbst in die Produktion nachhaltigen Kakaos für die Produktion von Schokolade ein. Das führte nicht nur zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die lokalen Bauern, sondern erfüllt auch die Kriterien einer Zertifizierung des Anbaus unter Umweltaspekten und Sozialstandards.
Programmiererin Aya Jaff dagegen, die als Kind aus dem Irak fliehen musste, gilt heute vielen als Wunderkind der deutschen Tech- und Börsen-Szene. Sie erweiterte das Thema Nachhaltigkeit noch um eine digitale Komponente, im Bezug auf den möglichst einfachen Zugang von Wissensgütern für Menschen weltweit.
Bernhard Simon: „Orientierung geben“
„Erfolgreiche Familienunternehmen sind tief in Märkten und Gesellschaften verwurzelt. Sie sind ‚Corporate Citizens‘ mit allen Pflichten, die sich daraus ableiten. Auf die Verwerfungen, wie wir sie gerade erleben, müssen sie genauso Antworten geben, wie auf die Auf- und Umbrüche unserer Zeit. Nachhaltiger Erfolg ist nur möglich, wenn Familienunternehmen ihren Mitarbeitern, Kunden und Partnern Orientierung geben, wenn sie Strategien formulieren, deren Sinnhaftigkeit vermitteln und Identität stiften. Insbesondere muss aber unser unternehmerisches Handeln darauf ausgerichtet sein, dass wir auch morgen noch eine Welt vorfinden, in der wir in Frieden zusammenleben und die Umwelt intakt ist. Aus diesem Grund setzt Unternehmensethik weit vor der „Spende für den guten Zweck“ an, und auch Umweltpolitik darf sich nicht in Marketingmaßnahmen erschöpfen. Es geht darum, wie Gewinne erwirtschaftet werden und weniger darum, was man damit macht.“
Bernhard Simon ist Vorsitzender der DACHSER SE
Zusätzliche gewinnbringende Erkenntnisse lieferte Natalie Mekelburger, CEO und Vorsitzende der Geschäftsführung der Coroplast Group (Rang 532 Top-Familienunternehmen), in ihrem Vortrag. Sie plädierte dafür, die marktwirtschaftlichen Kräfte zu nutzen, um die bestehenden Herausforderungen insbesondere mit Hinblick auf den Klimawandel zu überwinden. Neben diesen interessanten Einblicken konnten die Teilnehmer des CfFB sich intensiv in Workshops weiterbilden, die sich mit der Nachhaltigkeit in Familienunternehmen, Stiftungen und dem Krisenmanagement in Familienunternehmen beschäftigten. Eine der Lehren war, dass mit gründlicher Vorbereitung Generationenkonflikten in Familienunternehmen aus dem Weg gegangen werden kann.
Hybrides Veranstaltungskonzept hat funktioniert
Co-Gastgeberinnen des Campus for Family Business sind die WHU-Professorinnen Nadine Kammerlander und Christina Günther zusammen mit ihren jeweiligen Lehrstühlen für Familienunternehmen und für kleine und mittlere Unternehmen an der WHU. „Wir hatten viele spannende, teils auch kontroverse Diskussionen zum Thema Nachhaltigkeit in Familienunternehmen, angereichert durch praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse. Da konnten alle etwas für sich mitnehmen“, bilanzierte Nadine Kammerlander. Viel Anerkennung für die Durchführung einer Veranstaltung in der Größenordnung des Campus for Family Business gab es auch von Seiten anderer Hochschulen – dort überlegt man das hybride Konzept und die Hygienemaßnahmen für eigene Veranstaltungen zu adaptieren.
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