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Noch schlechter als erwartet
Die führenden Wirtschaftsinstitute korrigieren ihre Gemeinschaftsdiagnose nach unten. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland in 2023 wird auf 0,6 Prozent taxiert. Damit wird die Prognose vom Frühjahr 2023 kräftig um 0,9 Prozentpunkte nach unten revidiert.
„Der wichtigste Grund dafür ist, dass sich die Industrie und der private Konsum langsamer erholen, als wir im Frühjahr erwartet haben“, sagt Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident und Leiter der Abteilung Makroökonomik am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).
Deutschland befindet sich seit über einem Jahr im Abschwung. Der sprunghafte Anstieg der Energiepreise im Jahr 2022 hat der Erholung von der Pandemie ein jähes Ende bereitet. Die schon zuvor anziehende Verbraucherpreisinflation ist auf über 8 Prozent gestiegen. Dadurch wird den privaten Haushalten Kaufkraft entzogen. Die Leitzinsen sind um über vier Prozentpunkte gestiegen. Das trifft insbesondere die Bauwirtschaft.
Die Stimmung in den Unternehmen hat sich zuletzt erneut verschlechtert, dazu trägt auch politische Unsicherheit bei. So ist der ifo Geschäftsklimaindex ist im September zum fünften Mal in Folge gefallen, nunmehr auf auf 85,7 Punkte gefallen, nach 85,8 Punkten (saisonbereinigt korrigiert) im August. „Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle“ fand Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts, noch bemüht positive Worte, da der Pessimismus für die kommenden Monate immerhin leicht abnahm.
Dass die Lage und die Aussichten für die deutsche Wirtschaft indes dramatischer sind, als dass es als kleine Konjunkturdelle abzutun sei, zeigt, dass jetzt selbst eher zurückhaltende Verbände beginnen, Klartext zu reden. Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammern, Peter Adrian, hat in diesen Tagen in einem Schreiben an die 79 deutschen Kammern eine wirtschaftspolitische Reformagenda angemahnt und die Kammern zu stärkerer wirtschaftspolitischen Einmischung aufgefordert„ Die Lage ist ernst“, so Adrian.
Darauf deuten in der Tat auch die Indikatoren des Gemeinschaftsgutachtens hin. So sei Produktion im dritten Quartal 2023 nochmals spürbar gesunken.
Allerdings hätten mittlerweile die Löhne aufgrund der Teuerung angezogen, die Energiepreise abgenommen und die Exporteure die höheren Kosten teilweise weitergegeben, sodass Kaufkraft zurückkehrt. Daher dürfte der Abschwung zum Jahresende abklingen und der Auslastungsgrad der Wirtschaft im weiteren Verlauf wieder steigen, mutmaßt das Gremium.
Für das Jahr 2024 liegt die Prognose mit 1,3 Prozent nur 0,2 Prozentpunkte unter der Prognose vom Frühjahr. In den Jahren danach wird sich bemerkbar machen, dass das Potenzialwachstum aufgrund der schrumpfenden Erwerbsbevölkerung mittelfristig deutlich zusammenschmilzt.
Die konjunkturelle Schwäche ist mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Die Institute erwarten allerdings nur einen moderaten Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 2,6 Millionen Personen im Jahr 2023. Im kommenden Jahr wird die Zahl der Arbeitslosen wohl leicht sinken.
An der Preisfront entspannt sich die Lage nach und nach. Die Inflationsrate dürfte im Jahr 2023 bei 6,1% liegen und auf 2,6% im Jahr 2024 zurückgehen. Die Kerninflation (Inflation ohne Energiepreise) sehen die Institute im laufenden Jahr bei 6,1% und im kommenden Jahr bei 3,1%.
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Die Gemeinschaftsdiagnose wird zweimal im Jahr im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz erstellt. Am Herbstgutachten 2023 haben mitgewirkt das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das ifo Institut, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. in Kooperation mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel), das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien
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