„Wir brauchen zwingend Wissen im Kopf“

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Faktenwissen holen wir längst aus dem Internet, mit KI lagern wir auch Einschätzungen und Ratschläge aus. Eine gute Idee? Hirnforscher Martin Korte ordnet für uns ein.

von Boris Karkowski

Herr Professor Korte, erst mal keine Frage an den Wissenschaftler, sondern an den Mitbürger: Haben wir den Respekt vor dem Wissen im Kopf verloren, weil Fakten in Sekundenschnelle recherchierbar sind?

Ich glaube schon. Wir achten zu wenig darauf, was wir selbst im Kopf haben, weil wir unter der Fehlannahme leiden, unser Gehirn hätte eine Festplatte, die wir auslagern können. Wir unterschätzen, dass unser Gehirn die Welt differenzierter wahrnimmt, wenn wir viel über einen Gegenstand wissen. Das ist gerade im politischen Dialog, in der Beschäftigung mit Veränderungen oder im Umgang mit multikulturellen Herausforderungen wichtig.

Erklären Sie uns doch mal unser Gehirn. Wie bringen wir Faktenwissen in Zusammenhänge, um am Ende zu einem Urteil zu gelangen?

Unser Gehirn versucht ständig zu simulieren, was als Nächstes passiert. Das können wir nur präzise tun, wenn wir schon viel über eine Umgebung wissen und eine Situation zuverlässig einschätzen können. Gehen wir in ein europäisches Restaurant, kennen wir die Abläufe und können uns auf das Essen oder das Gespräch konzentrieren. So hilft uns das Faktenwissen bei der Einschätzung von Situationen – wir greifen immer auf Gelerntes zurück.

„Wir können als Gemeinschaft Wissen erwerben, anwenden und kulturell weitergeben. Leider geben wir den Experten immer weniger Autorität.“

Das ist eine Alltagssituation, lassen Sie uns auch über wichtige Entscheidungssituationen sprechen. Bilden wir uns nur ein, mit komplexen Themen umgehen zu können, oder können wir das wirklich?

Das können wir durchaus. Es gibt hier zwei Denkströmungen. Die eine Richtung plädiert dafür, bei komplexen Entscheidungen unserem Bauchgefühl zu vertrauen, weil das intuitive Wissen viel mehr Informationen verarbeiten kann als das bewusste Denken, das uns auf fünf bis sieben Variablen beschränkt. Die andere Richtung weist darauf hin, dass wir das intuitive Denken zwar für schnelle Entscheidungen brauchen, in der Evolution aber auch das reflexive Nachdenken entwickelt haben – aus gutem Grund. Ich glaube, wir brauchen beides.

Wenn ich selbst vor einer Entscheidung stehe und nicht genügend weiß, ist es dann legitim, auf Wissen aus dem Netz zurückzugreifen?

Es ist legitim, aber oft nicht sinnvoll. Wir sollten nicht unterschätzen, wie viel Wissen erfahrene Experten abgespeichert haben, um Situationen einschätzen zu können. Man muss nicht alles Wissen selbst im Kopf haben, wir sind eine Sozietät von Gehirnen. Wir können als Gemeinschaft Wissen erwerben, anwenden und kulturell weitergeben. Leider geben wir den Experten immer weniger Autorität, weil sich viele Menschen über das Internet informieren, ohne die Informationen einschätzen zu können. Man muss genügend wissen, um Probleme strukturieren zu können und zu wissen, wen man wozu fragen sollte.

Herr Professor Korte, erst mal keine Frage an den Wissenschaftler, sondern an den Mitbürger: Haben wir den Respekt vor dem Wissen im Kopf verloren, weil Fakten in Sekundenschnelle recherchierbar sind?

Ich glaube schon. Wir achten zu wenig darauf, was wir selbst im Kopf haben, weil wir unter der Fehlannahme leiden, unser Gehirn hätte eine Festplatte, die wir auslagern können. Wir unterschätzen, dass unser Gehirn die Welt differenzierter wahrnimmt, wenn wir viel über einen Gegenstand wissen. Das ist gerade im politischen Dialog, in der Beschäftigung mit Veränderungen oder im Umgang mit multikulturellen Herausforderungen wichtig.

Erklären Sie uns doch mal unser Gehirn. Wie bringen wir Faktenwissen in Zusammenhänge, um am Ende zu einem Urteil zu gelangen?

Unser Gehirn versucht ständig zu simulieren, was als Nächstes passiert. Das können wir nur präzise tun, wenn wir schon viel über eine Umgebung wissen und eine Situation zuverlässig einschätzen können. Gehen wir in ein europäisches Restaurant, kennen wir die Abläufe und können uns auf das Essen oder das Gespräch konzentrieren. So hilft uns das Faktenwissen bei der Einschätzung von Situationen – wir greifen immer auf Gelerntes zurück.

„Wir können als Gemeinschaft Wissen erwerben, anwenden und kulturell weitergeben. Leider geben wir den Experten immer weniger Autorität.“

Das ist eine Alltagssituation, lassen Sie uns auch über wichtige Entscheidungssituationen sprechen. Bilden wir uns nur ein, mit komplexen Themen umgehen zu können, oder können wir das wirklich?

Das können wir durchaus. Es gibt hier zwei Denkströmungen. Die eine Richtung plädiert dafür, bei komplexen Entscheidungen unserem Bauchgefühl zu vertrauen, weil das intuitive Wissen viel mehr Informationen verarbeiten kann als das bewusste Denken, das uns auf fünf bis sieben Variablen beschränkt. Die andere Richtung weist darauf hin, dass wir das intuitive Denken zwar für schnelle Entscheidungen brauchen, in der Evolution aber auch das reflexive Nachdenken entwickelt haben – aus gutem Grund. Ich glaube, wir brauchen beides.

Wenn ich selbst vor einer Entscheidung stehe und nicht genügend weiß, ist es dann legitim, auf Wissen aus dem Netz zurückzugreifen?

Es ist legitim, aber oft nicht sinnvoll. Wir sollten nicht unterschätzen, wie viel Wissen erfahrene Experten abgespeichert haben, um Situationen einschätzen zu können. Man muss nicht alles Wissen selbst im Kopf haben, wir sind eine Sozietät von Gehirnen. Wir können als Gemeinschaft Wissen erwerben, anwenden und kulturell weitergeben. Leider geben wir den Experten immer weniger Autorität, weil sich viele Menschen über das Internet informieren, ohne die Informationen einschätzen zu können. Man muss genügend wissen, um Probleme strukturieren zu können und zu wissen, wen man wozu fragen sollte.

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Dieser Beitrag von Boris Karkowski ist zuerst unter results. FinanzWissen für Unternehmen erschienen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Bank.

Bild oben: privat

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