Wo, bitte, geht es zur Zukunft?

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Der Koalitionsvertrag ist zu Papier gebracht. Es gibt viel zu verteilen: Posten, Budgets und Wahlgeschenke. Niemand wollte irgendjemand etwas zumuten und so wird das Regierungs-Starterpaket selbst zu einer Zumutung für die Zukunft.

Von Frank Dopheide

Es muss sich was ändern, aber es darf nichts geschehen. Der Agrardiesel wird wieder rückvergütet und der Solidaritätszuschlag schlägt weiter zu.

Neu-Kanzler Merz wünscht sich vor allem eins: dass dies Land wieder funktioniert und schaufelt – für Reparaturarbeiten aller Art – 500 Milliarden Euro auf Pump frei. Doch der Funke der Begeisterung springt nicht über.

Wir lernen: bei chronischer Ideenlosigkeit wirken nicht mal hochdosierte Geldspritzen

Eine Lektion, die auch deutschen Firmen zunehmend zu schaffen macht. Schumpeters Predigt der kreativen Zerstörung scheint ein interessantes Gedankenspiel, von dem Unternehmen im Arbeitsalltag jedoch lieber die Finger lassen. Mutwillige Zerstörung gehört nicht zum Geschäft. Solange noch ein Euro Profit unter dem Strich steht, zieht man das Erlösmodell vergangener Zeiten durch – koste es, was es wolle. Ob Warenhaus, Bankfiliale oder Autohersteller, deutsche Unternehmen arbeiten sich mit Vorliebe an der Welt des Möglichen ab. Realisten mit abgeschlossenem Ingenieur- und Betriebswirtschaftsstudium. Das Denken setzt am hier und jetzt an. Da weiß man, was man hat.

Gedankensprünge sind in diesem Ökosystem nicht vorgesehen. Deutschland, die Heimat der Exportweltmeister fährt sicherheitshalber auf Sicht und gerät dabei in Gefahr von anderen Ländern links und rechts überholt zu werden.

Vielleicht hilft der Trump Faktor

Der amerikanische Präsident springt Schumpeter zur Seite und macht die Zerstörung zur Chefsache. Im Stil einer Abrissbirne legt Donald Trump altbewährte Erlösströme, Gewissheiten und Geschäftsbeziehungen in Schutt und Asche. Wann, wenn nicht jetzt, ist der Zeitpunkt für Neues? Doch wohin wir auch blicken, die Zukunft kommt nicht zum Vorschein. „Never waste a good crisis“, hat uns Winston Churchill auf die To-Do-Liste geschrieben. Doch Thyssen Krupp, Continental, Volkswagen und ihre Leidensgenossen blicken beim Thema Zukunft sehnsuchtsvoll zurück. Continental konzentriert sich in Zukunft wieder auf Reifen. Thyssen Krupp will in Zukunft wieder mehr Stahl verkaufen und Volkswagen sieht seine Softwaretochter Cariad zunehmend als Bremsklotz am Bein.

Die Zukunft sieht aus wie die Vergangenheit

Wir lernen: ohne Vorstellungsvermögen ist in Zukunft kein Geschäft zu machen.

Selbst die deutsche Start Up Szene kann sich kaum noch vorstellen, die Welt auf den Kopf zu stellen. Es genügt die nächste Finanzierungsrunde zu stemmen. Das Ziel aller Träume ist ein Einhorn. Doch in der Welt von morgen zählt selbst ein Einhorn als Kleintier. Ein einzelner Global Champion wie Apple ist heute 3.000 Einhörner wert.

Die Zukunft ist sprunghaft gewachsen, die Ambitionen und das Vorstellungsvermögen nicht. Ohne ein ansprechendes Zukunftsbild droht uns die menschliche Energie auszugehen.

Wie schwört man ein Unternehmen und ein ganzes Land auf die angekündigte Zeitenwende ein?

Die Zukunft scheint diffus und düster statt vielversprechend. Womit wir beim Thema Kommunikation sind. Es wird endlos viel geredet und wenig gesagt. Zu abstrakt, zu sachlich und unmenschlich. Martin Luther King Jr. hätte mit der Aussage: “I have a transformation plan“, vermutlich keine Viertelmillion Menschen in Bewegung gesetzt.

Persönliche Botschaften berühren, Worthülsen zerplatzen

Das ist die gute Nachricht: mit Ideenreichtum, Vorstellungsvermögen und einer persönlichen Ansprache kann man die Zukunft verändern. Menschen können ihren Energiezustand von einer Minute auf die andere ändern, wenn sie wissen, wofür. Ein kleiner Teil von etwas Großem zu sein, setzt neue Kräfte frei. Sie schließen sich einer Sache an, die sie für bedeutsam halten. Dann können Menschen, Unternehmen und ein ganzes Land selbst Naturgesetze aushebeln und über sich hinauswachsen.

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Frank Dopheide war u.a Chairman von GREY Worldwide und Sprecher der Geschäftsführung der Handelsblatt Media Group. 2020 gründete der die Purpose-Agentur human unlimited. Sein letztes Buch lautet: “Gott ist ein Kreativer, kein Controller”.

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