Zahlungsfristen: Die umstrittene 30

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Die EU-Kommission plant, eine feste Zahlungsfrist von 30 Tagen einzuführen, für alle und jeden. Damit würde sie Unternehmen wichtige Flexibilität nehmen. Per Lieferantenkredit und mit individuell vereinbarten Zahlungsfristen werden jährlich mehr Waren finanziert als mit Bankdarlehen. Das Prinzip funktioniert – und braucht keine neue gesetzliche Regelung aus Brüssel.

Von Patrik Hantzsch

Rund 18 Milliarden Rechnungen werden pro Jahr in der EU ausgestellt, das sind mehr als 500 Rechnungen pro Sekunde. Und fast die Hälfte davon wird zu spät bezahlt, schätzt die EU-Kommission. Weil das für diejenigen, die die Rechnungen ausstellen und auf ihr Geld warten, zum Problem werden kann, möchte die Kommission das ändern. Sie hat den Entwurf einer neuen Zahlungsverzugsverordnung vorgelegt, und schlägt darin vor, die Zahlungsfrist grundsätzlich auf maximal 30 Tage zu begrenzen. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen möchte sie mit der Richtlinie helfen, die gegenüber großen Schuldnern als Lieferanten häufig „unfaire Zahlungsbedingungen“ akzeptieren müssten, heißt es im Entwurf. Aber ist das wirklich so?

Patrik Hantzsch ist Leiter der Wirtschaftsforschung, Öffentlichkeitsarbeit sowie Pressesprecher beim Verband der Vereine Creditreform in Neuss.

Creditreform beobachtet seit vielen Jahren sehr genau, wie Unternehmen als Lieferanten (Kreditoren) und Käufer (Debitoren) mit Zahlungsmodalitäten umgehen. Auf Basis des Debitorenregisters Deutschland (DRD), das Zahlungsinformationen zu mehr als einer Million Unternehmen enthält, analysiert Creditreform, wie sich Zahlungsfristen, Zahlungsverzug und Forderungslaufzeiten entwickeln.

Flexibilität wirkt, Zahlungsverzug nimmt ab

Tatsächlich wurden großen Unternehmen im zweiten Halbjahr 2023 mit durchschnittlich 34, 35 Tagen längere Zahlungsfristen eingeräumt als kleinen Unternehmen (26,8 Tage). Hier stimmt die Annahme der EU-Kommission also. Das bedeutet aber nicht, dass eine Begrenzung der Zahlungsfrist auf 30 Tage das Problem löst. Im Gegenteil. Anhand der DRD-Daten beobachtet Creditreform auch, wie wichtig Flexibilität ist.

In der zweiten Jahreshälfte 2023 reagierten Lieferanten mit ihren Zahlungskonditionen zum Beispiel deutlich auf die Konjunkturschwäche. Aus Sorge vor steigenden Insolvenzzahlen versuchten viele, ihre Schuldner zu entlasten – und weiteten die Zahlungsfristen deutlich aus. Nach 29,97 Tagen im Schnitt über alle Branchen und Unternehmensgrößen im zweiten Halbjahr 2022 gewährten sie mit 32,05 Tagen im zweiten Halbjahr 2023 rund zwei Tage mehr Zeit. Die Folge: Der Zahlungsverzug sank im gleichen Zeitraum von 10,95 Tagen auf 8,47 Tage.

Quelle: Creditreform Zahlungsindikator Deutschland, Winter 2023/24

Der Effekt der längeren Zahlungsziele auf die gesamte Außenstandsdauer – sie sank innerhalb des Jahres leicht um 0,4 Tage auf 40,52 Tage – ist zwar gering und variiert je nach Branche, aber die Zahlen zeigen: Der Mechanismus funktioniert.

Liquiditätsmanagement per Lieferantenkredit

Eine europaweit starr vorgeschriebene Frist würde Unternehmen im Geschäftsalltag hingegen die Flexibilität nehmen, die ihnen das Bürgerliche Gesetzbuch in Deutschland gewährt. Bei B2B-Geschäften haben Unternehmen hierzulande schon jetzt per se 30 Tage Zeit, um eine Rechnung bei einem Geschäftspartner zu begleichen. So regelt es § 286 „Verzug des Schuldners“ Absatz 3, allerdings ergänzt um § 271a „Vereinbarungen über Zahlungs-, Überprüfungs- oder Abnahmefristen“. Darin wird es Unternehmen nämlich ausdrücklich erlaubt, bei Geschäften untereinander andere Zahlungsfristen zu vereinbaren. Und genau das machen die meisten auch.

Denn: Klug eingesetzte Zahlungsfristen sind im Geschäftsalltag ein sehr nützliches Werkzeug. Für Lieferanten können sie eine Geste des Entgegenkommens im Verkaufsgespräch sein oder aber ein Instrument, um Forderungsausfälle zu vermeiden. Für Debitoren ist der sogenannte Lieferantenkredit ein wichtiges Instrument, um ihre Liquidität zu managen. Etwa im Einzelhandel, wenn die Ware nicht schon bezahlt werden muss, bevor sie weiterverkauft ist. Dort ist die Vereinbarung einer individuellen und möglicherweise längeren Zahlungsfrist für Händler existenziell. So sparen sie bei Waren, die nicht so schnell umgeschlagen werden, hohe Finanzierungskosten. Mit der Zahlungsverzugsverordnung würden für viele Handelsunternehmen hingegen existenzbedrohende Finanzierungslücken entstehen.

Fazit: Gutes Ziel, falsche Richtung

Das Vorhaben der EU-Kommission, Zahlungsverzug zu bekämpfen, ist legitim. Doch den Weg sollte sie noch einmal überarbeiten. Das deckts sich mit der Kritik zahlreicher Wirtschaftsverbände, die bereits dazu im Konsultationsverfahren Stellung bezogen haben. Ihre Botschaft: Die Beziehungen im B2B-Geschäft sind vielfältig und erfordern eine differenzierte Betrachtung, keinen pauschalen Eingriff in bewährte Praktiken. Vielmehr können sich Lieferanten auch mit klaren Angaben bei der Rechnungslegung, einem gut funktionierenden Kreditmanagement und Mahnwesen sowie nicht zuletzt der Hilfe durch ein externes Inkasso gegen Forderungsausfälle wappnen.

Im Handel übrigens ist das selten nötig. Mit nur 6,48 Tagen Überfälligkeit gehört die Branche zu den zuverlässigsten Zahlern und liegt fast zwei Tage unter dem Bundesdurchschnitt.

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Bild ganz oben: Ahmad Ardity auf Pixabay

Eine Antwort zu “Zahlungsfristen: Die umstrittene 30”

  1. Wie alle scheinbar restriktiven Gesetze hat auch das Zahlungsziel-Gesetz seinen Ursprung in missbräuchlicher Anwendung von Marktmacht durch Großunternehmen. Hierunter leiden besonders Kleinunternehmen bis hin zu Insolvenz durch Verzögerung berechtigter Rechnungen. Zu nennen sind hier allen voran Firmen wie Bayer und BASF und noch schlimmer die Deutsche Bahn, die Zahlungsziele vom 8 Wochen bis zu mehr als einem Quartal von ihren Zulieferern verlangen.

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