Zeitenwende für Deutschland: “Ökonomie und Politik zusammendenken”

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Kann sich Deutschland energie- und verteidigungspolitisch für die neuen Zeiten wappnen – und Wirtschaft in Bedrohungslagen prosperieren? Der Historiker Michael Wolffsohn im Interview.

“Je schärfer die Krise, desto klarer der Kopf”: Der Historiker, Publizist und langjährige Professor für Neuere Geschichte an der Bundeswehr-Universität in München, Professor Dr. Michael Wolffsohn, analysiert im Interview mit DDW-TV die Folgen, die sich aus dem Ukraine-Krieg für Deutschland, seine Energie- und Verteidigungspolitik sowie Wirtschaft und Gesellschaft ergeben.

  • Politische Zeitenwende in Deutschland? Anfang
  • Energiepolitik: 3.40 Min.
  • Fehler der Wirtschaft: 10.15 Min.
  • Verheerende Kritik an der Amtszeit Angela Merkels: 12.20 Min.
  • Geostrategische Perspektiven des Konflikts mit Russland sowie Beziehung zu China: 16:45 Min.
  • Von Israel lernen: Wirtschaft in Zeiten erhöhter Verteidigungsbereitschaft: 20.45 Min.
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Professor Dr. Michael Wolffsohn sieht in Bezug auf die bundesdeutsche Politik der vergangenen Jahre, speziell unter Angela Merkel, “katastrophale strategisch-politisch-ökonomische Fehler”. Die politischen Hintergründe, warum nicht nur die Bundesregierung, sondern auch der gesamte Regierungsapparat den Weg in eine “selbstmörderische” Abhängigkeit zu Russland gegangen sei, seien noch nicht klar. Aber auch die Wirtschaft habe diesen Weg – zuletzt erst durch die Aufgabe des Nabucco-Projekts – sehenden Auges mitgetragen.

“Die Geschäftsgrundlage ist eine andere geworden”

Das aktuelle Buch von Michael Wolffsohn: Tacheles. Im Kampf um die Fakten in Geschichte und Politik. Erschienen im Verlag Herder (26 Euro). Bezugsinfos

Ob in Deutschland tatsächlich eine politische Zeitenwende eingetreten ist, sei für ihn nicht ausgemacht, denn Wolffsohn befürchtet, bei den aktuellen Bestrebungen einer Energiepartnerschaft mit dem Iran drohe, dass die gleichen Fehler gemacht würden. Wolffsohn vermisst die “Fähigkeit und Willigkeit, Ökonomie und Politik zu verbinden”.

Für die Wirtschaft sei klar: “Die Geschäftsgrundlage ist eine andere geworden”, nachdem sich Deutschland seit 1945 unter dem Schutzschirm der Amerikaner in Wohlstand und Frieden sonnen konnte.

Langfristig gäbe es zu einer Zusammenarbeit mit Russland keine Alternative. Doch die Grundvoraussetzung sei “Rationalität im menschlichen Verhalten”. Langfristig lasse sich für Russland die konfrontative Politik nicht aufrechterhalten, denn die Historie zeige, dass eine Bevölkerung, die durch seine Regierung alles verloren habe, diese Regierung jederzeit stürzen könne. Die Gefahr eines Weltkriegs ieht Wolffsohn nicht. “Dies würde voraussetzen, dass mindestens ein Akteur auf Selbstmord programmiert ist”, doch dies widerspreche dem menschlichen Überlebenstrieb.

Wolffsohn plädiert für eine Dienstpflicht

Angesichts der neuen verteidigungspolitischen Realitäten plädiert Wolffsohn für die Wiedereinführung der Wehrpflicht – genauer: derdifferenzierten Form einer “allgemeinen Dienstpflicht”. Wolffsohn begründet dies mit drei Aspekten: Zum einen setze eine moderne Streitmacht immer mehr Hochtechnologie ein, so dass sinnvolle Tätigkeiten für “diejenigen, die mehr Kopf als in den Muskeln haben” gefragt seien, beispielsweise im IT-Bereich. Zudem gäbe es viele Dienstleistungsbereiche in der Gesellschaft, wo die Kräfte, mit hohem volkswirtschaftlichem Nutzen, sinnvoll eingesetzt werden könnten. Der dritte Punkt sei der des Zusammenhalts einer Gesellschaft. Dieser ließe sich nicht “durch Sonntagsreden”, sondern nur durch gemeinsame Erlebnisse unterschiedlicher Milieus erzielen, wie sie eine Dienst- oder Wehrpflicht erzeuge.

Erscheint in wenigen Tagen: “Eine andere Jüdische Weltgeschichte”. Michael Wolffsohn, der Meister der deutsch-jüdischen Geschichtsschreibung, erzählt die Historie der Juden von den Anfängen bis heute. (Herder Verlag, 28 Euro). Bezugsinfo

Am Beispiel Israels zeige sich, dass aus der breiten Verankerung der Wehrpflicht, speziell auch für kluge Köpfe des IT-Bereichs, anschließend eine Vielzahl von Startups und Neugründungen enstehen, die der Wirtschaft Impulse gäben.

Überlebenfähigkeiten trainieren

Wolffsohn zieht noch eine größere Perspektive, in dem er am Beispiel der Geschichte des Judentums zeigt, dass Bedrohungslagen die “Überlebensmechanismen schärft”. Im Falle der jahrtausendewährenden Not und Verfolgung hätten Juden ihre Überlebenfähigkeiten kontinuierlich trainiert – und zwar Bildung, Wissen und Wissenschaft. Auch das seit zweitausend Jahren verpflichtende Tora-Studium (“ganz ohne BAföG”) sei vor diesem Hintergrund zu sehen: nämlich des Trainings des Kopfes, dessen Leistungsfähigkeit sich später auf andere Felder anwenden ließe.

Eine Gesellschaft sei in der Lage, schwierigsten Bedrohungslagen zu trotzen. In diesem Sinne erhofft sich Michael Wolffsohn, dass die aktuelle Krise auch Unternehmergeist wecke und etwas Positives bewirken könne.

 

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