Digitalisierung: Suizid oder Veränderung?

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Seit Jahren diskutieren wir mittlerweile über die Digitalisierung, doch wir hinken weiterhin hinterher. Die Rahmenbedingungen und die Infrastruktur passen nicht, in den Unternehmen fehlt es an der Umsetzung, in unseren Schulen und Universitäten ist digitale Kompetenz ebenso wie wirtschaftliche beziehungsweise unternehmerische Kompetenz nur in geringen Dosen vorhanden. Von Dr. Hubertus Porschen

Wir stehen vor der Frage, ob wir die Veränderung wollen, die neben den Chancen Risiken mit sich bringt und Anstrengung erfordert, oder ob wir uns in unser Schicksal ergeben und zu den Verlierern der Digitalisierung gehören wollen. Ich meine, wir sollten uns aufraffen und kämpfen, denn wir haben eine gute Ausgangslage: Deutschland zeichnet sich durch Konzerne und einen breiten Mittelstand aus, oftmals inhabergeführte Familienunternehmen.

Deutsche Unternehmen haben eine gute Ausgangslage

Hidden Champions und Weltmarktführer gibt es in Deutschland häufiger als in jedem anderen Land. Besonders zwei Kompetenzen sind für die deutsche Industrie beziehungsweise den deutschen Mittelstand prägend: die enge Verzahnung mit dem Kunden und die  Fertigungskompetenz. Doch das reicht angesichts der Plattform-Ökonomie nicht aus. Deutsche Unternehmen müssen dringend lernen, digitale Geschäftsmodelle zu verstehen, denn nur so können sie Geschäftsmodelle an digitale Gegebenheiten anpassen, innovieren sowie prozess- und kostenoptimiert agieren. Die Big Five aus den USA verdienen ihr Geld in erster Linie mit Plattformen im B2C-Bereich. Deutsche Unternehmen verfügen über riesige Erfahrung im B2B-Bereich. Sie haben Produktionshallen, Kunden, Lieferanten und Vertriebsnetze. Das ist weit mehr als die meisten Internetfirmen haben und ein Riesen-Asset. Im Kampf um Industriekunden können deutsche Unternehmen punkten, sofern sie es schaffen, industrielle Exzellenz und Erfahrung mit digitaler Kompetenz zu kombinieren. Aber es muss schnell gehen.

Daten werden unterschätzt

Damit wir das schaffen, müssen wir die Bedeutung von  Daten nicht nur verstehen, sondern sie auch nutzen. Und damit sieht es bisher noch relativ schlecht aus. Für die 18. Studie Unternehmerperspektiven der Commerzbank wurden Mittelständler nach der Nutzung von Big Data befragt. Ergebnis: großer Hype, aber (noch) wenig konkreter Nutzen. 81 Prozent der Befragten halten Big Data für zentral wichtig, nur für drei Prozent der Unternehmen ist Big Data nicht relevant. Darüber hinaus konzentrieren sich die meisten Unternehmen auf Daten, die intern und damit leicht verfügbar sind. Nur zwölf Prozent der Befragten nutzen Big Data bereits für die Erfassung von Daten entlang der Customer Journey. Verfahren, die man als Big Data Analytics im engeren Sinne bezeichnet, werden laut der Studie nur selten eingesetzt. Zwei Drittel der Befragten können die Technologie noch nicht bewerten oder halten sie für nicht relevant. Eine direkte Konkurrenz von den Tech-Giganten aus dem Silicon Valley befürchten die Befragten nicht. Das könnte ins Auge gehen.

Die richtigen Rahmenbedingungen setzen

Entscheidend dafür, ob wir den Kampf verlieren oder gewinnen, werden neben der Veränderung in den Unternehmen die  Rahmenbedingungen sein, die die Politik für Unternehmen und Neugründungen setzt, sei es beim Ausbau der digitalen Infrastruktur, Erleichterungen im Steuerrecht, Entbürokratisierung, Risikokapital oder bei der Reform des Bildungswesens. Doch bisher verstecken sich Politiker und Regierung gerne hinter Kommissionen, Runden Tischen und Ausreden wie „das ist Ländersache“ oder „das entscheiden die Kommunen“. Wenn das tatsächlich so sein sollte, hat der Föderalismus definitiv ausgedient. Die Politik muss zu sachlichen Diskussionen über die zukunftsentscheidenden Themen zurückkehren statt sich an sich selbst abzuarbeiten und nur an die nächste Wahl zu denken.

 

Unsere Politiker betreiben Politik für Minderheiten und bleiben im Klein-Klein hängen. Es fehlt ihnen eine Vision für die Zukunft. Im Grunde genommen geht es ihnen wie manchen Unternehmen mit der Innovation. Die Ziele, die sich die Politik setzt, sind sehr niedrig. Da wird ein bisschen an der Agenda 2010 korrigiert, dort etwas an der Sicherheitsgesetzgebung justiert, ein neues Steuergesetzchen auf den Weg gebracht, das Kindergeld um eine Winzigkeit erhöht. Doch ist das wirklich ein zukunftsweisender Weg? Nein, genauso wenig wie Innovation, die bei der Produktverbesserung stehen bleibt. Die Welt dreht sich weiter, wir können nicht stehen bleiben, auch wenn es anstrengend ist,  Neues zu wagen.

 

In meinem Buch Digitaler Suizid. Warum wir vom Hightech-Standort zum Entwicklungsland verkommen und was wir dagegen tun können“ mache ich Vorschläge, was sich in Bildung, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ändern muss, damit Deutschland sich seinen Platz als Champion auch künftig sichern kann.

Dr. Hubertus Porschen ist vielfacher Gründer und Geschäftsführer der App-Arena GmbH in Köln. In den Jahren 2015-2018 hat er als ehrenamtlicher Vorstand dem Verband „Die jungen Unternehmer“ vorgestanden. Heute berichtet er zudem als Keynote-Speaker für Digitalisierung und Innovation von seinen Erfahrungen.

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