Wahlprogramme 2021 im Sprach-Check: AfD

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Exklusiv für DDW Die Deutsche Wirtschaft wurde das AfD-Wahlprogramm von den beiden Sprachexperten Armin Reins und Géza Czopf einer sprachlichen Analyse unterzogen.

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Betrachten wir das Programm der größten Oppositionspartei im Bundestag, die ihre Position weiter stärken möchte. Die AfD hält daher nicht damit hinterm Berg, wie sie den Zustand der Republik empfindet. Provokativ nennt sie ihr Programm „Deutschland. Aber normal“.

Und bereits auf der ersten Doppelseite über Demokratie und Rechtsstaat überrascht das Programm damit, dass Deutschland dann normal sei, wenn es Volksabstimmungen „nach Schweizer Modell“ durchführen würde. Später fordert sie auch noch „die Ausarbeitung eines umfassenden migrationspolitischen Ansatzes nach japanischem Vorbild“.

Doch der Reihe nach. Was die Aufmachung anbelangt ist der erste Eindruck kein schlechter. Das AfD-Wahlprogramm ist in überschaubare Absätze gegliedert, die Zwischenüberschriften bringen Struktur hinein. Eine tabellarische Auflistung der zentralen Forderungen und kurze Zusammenfassungen der Kernaussagen am Seitenrand sind weitere lesefreundliche Elemente. Zurück aber zu den Inhalten und ihrer sprachlichen Umsetzung.

Da die AfD die einzige Partei ist, mit der keine andere koalieren möchte, ist auch die Sprache auf Konfrontation aus. Der erste Satz des Programms lautet dementsprechend:

„Die Regierungspolitiker in Bund und Ländern haben mit ihrer Flüchtlings-, Europa- und Corona-Politik die Prinzipien der deutschen Staatlichkeit, des Rechts und der Verfassung vielfach verletzt.“

Und weiter:

„In unserem Land hat sich aber eine politische Klasse herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt.“

Auch das ist noch zu lesen:

„Deshalb halten wir die unmittelbare Demokratie für ein unverzichtbares Mittel, um dem autoritären und teilweise totalitären Gebaren der Regierungspolitiker Einhalt zu gebieten.“

Die Attacken gegen die politischen Gegner sind hart („Meinungsfreiheit statt Tugendterror“). Ihnen werden niedrige Beweggründe vorgeworfen, etwa persönliche Bereicherung. Die Folgen seien daher elementar und weitreichend und müssten mit der passenden Entschlossenheit angegangen werden. Dies drückt sich in der Wortwahl aus, die pathetisch und drastisch ist, wie diese Beispiele zeigen:

„(Sie) bedrohen die Zukunft unseres Landes (sowie der nachfolgenden Generationen). Diese fatale Politik wollen wir beenden.“
„Das Volk als Souverän muss in direkter Mitbestimmung Träger solcher schicksalhaften Entscheidungen sein.“

Wer vom Schicksal eines Volkes spricht, bemüht sich eines Zungenschlags, den man schon überwunden glaubte. Wie jede andere Partei setzt auch die AfD ihre parteiprogrammatischen Schlüsselbegriffe ein, die als Erkennungs- und Identifizierungscodes dienen. Bei einer nationalistischen Partei sind die zentralen Themen Souveränität, innere Sicherheit und Migration. Entsprechend lauten die Schlagwörter: „Europa der Vaterländer“, „Brauchtum und Gedenken“, oder „Deutsche Leitkultur“.

Letzteres war ursprünglich ein CDU-Thema, zu denen die AfD gerne Brücken baut, etwa wenn es heißt:

„Wir wollen die Soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard wiederbeleben“.

An einer anderen Stelle im AfD-Wahlprogramm wird aber auch der ehemaligen Bundeswirtschafts- und Finanzminister Schiller von der SPD zitiert („Jede Währungsaufwertung ist eine Sozial-Dividende für das deutsche Volk, denn ihr könnt danach im Supermarkt alles billiger kaufen“.)

Die Empfänger der Texte werden in den Mittelpunkt gestellt:

„Die Loyalität der Abgeordneten muss den Bürgern und dem Staat gelten, nicht den Parteivorständen.“

Es herrscht eine klare Abgrenzung zwischen den bösen Regierenden und den guten Regierten:

„Die ‚Parteibuchwirtschaft‘ muss beendet werden“.

Es ist von einem „Parteienkartell“ die Rede, die nicht etwa verkünden, sondern „propagieren“, weshalb

„totalitäre Tendenzen auch in Deutschland ein demokratiegefährdendes Maß angenommen haben“.

Gerne beziehen sich nationalistische Parteien auf kulturelle Traditionen sowie große historische Errungenschaften und verweisen auf die natürliche Grundordnung, die über der aktuellen Politik steht:

„Erst die christliche und humanistische Kultur der europäischen Völker brachte die vorgenannten Prinzipien hervor und verwirklichte sie in einem jahrhundertelangen Prozess.“
Oder:
„In einer freiheitlichen Grundordnung ist der Staat in seinem Handeln gegenüber dem Bürger der Pflicht zur Gleichbehandlung unterworfen, der Bürger selbst jedoch ist in der Gestaltung seiner privaten Rechtsverhältnisse frei. Eine Aufhebung dieser Trennung zwischen Staat und Gesellschaft beschädigt die freiheitliche Natur der Rechtsordnung und öffnet Tür und Tor für eine in letzter Konsequenz totalitäre Herrschaftsordnung.“

Hier werden keine kleinen Brötchen gebacken. Für Parteien an den Rändern geht es stets ums Ganze. Für sie setzen die Regierenden alles aufs Spiel, die Freiheit und die Zivilisation, weshalb es heißt:

„Diesem zivilisatorischen Rückschritt gilt es entgegenzutreten“.

Wenn die Themen so groß sind, muss die Sprache bildhaft und emotional sein, damit sie wirkt. Das demonstriert das AfD-Wahlprogramm in seiner Mixtur aus einer wert- und gefühlsorientierten Sprache:

„Wir wollen den souveränen, demokratischen Nationalstaat erhalten. Nur dort kann Volkssouveränität gelebt werden, die Mutter und das Herzstück der Demokratie.“
„Die Nationalsprache ist das Herz einer Kulturnation.“
„Baudenkmäler und heimische Architektur prägen Heimatgefühl und kulturelle Identität. Die Schönheit historischer Innenstädte muss bewahrt und bei Bedarf durch Rekonstruktionen wiederhergestellt werden. Die deutsche Geschichte ist in ihrer Gänze zu würdigen.“

Vor allem emotionale Themen verlangen nach einer besonders gefühlsbetonten Sprache:

„Die AfD bekennt sich zur Familie als Keimzelle unserer Gesellschaft. Sie besteht aus Vater, Mutter und Kindern. Familie bedeutet Sicherheit, Obhut, Heimat, Liebe und Glück. Dieses Werte- und Bezugssystem wird von Generation zu Generation weitergegeben.“

Die Familienpolitik wird von konservativen Parteien oft in den Mittelpunkt gestellt. Die „Willkommenskultur für Kinder“ ist natürlich eine Anspielung; auch an anderen Stellen nutzt die AfD dieses Mittel („Freier Funk für freie Bürger!“).

Selbst bei dem heftig umstrittenen Thema Klimawandel findet die AfD noch tröstende Bilder:

„Statt einen aussichtslosen Kampf gegen den Wandel des Klimas zu führen, sollten wir uns an die veränderten Bedingungen anpassen, so wie es Pflanzen und Tiere auch tun. Die Menschheitsgeschichte belegt, dass Warmzeiten immer zu einer Blüte des Lebens und der Kulturen führen, während Kaltzeiten mit Not, Hunger und Kriegen verbunden waren.“

Setzen alle linken Parteien auf den Genderstern, wählten CDU/CSU sowie FDP die weitaus weniger umstrittene Paarform. Die AfD hält es auch bei der Schreibweise klassisch und setzt auf das generische Maskulinum. Ihre Erklärung dafür ist eindeutig:

„Die sogenannte ‚gendergerechte Sprache‘ ist eine groteske Verunstaltung der deutschen Sprache“.

Diese schroffe Ablehnung findet sich in ihrer generellen Position zu Gender-Themen:

„Das Geschlecht ist eine biologische Tatsache“, „Kein Geld für ‚Gender Studies‘, keine Gender-Quoten“.

Im Bereich der Wirtschaft setzt die AfD dem „Green Deal“ einen „Blue Deal“ entgegen. So volksnah sich die AfD sprachlich auch geben möchte, auch sie schafft es nicht, sich von den Fesseln der Verwaltungssprache zu befreien. Das zeigt unser Lieblingssatz aus dem AfD-Wahlprogramm zum Thema Digitalisierung:

„Öffentliche Ausgaben für die Erforschung und Anwendung von Quanten-Kryptographie müssen aus Gründen der nationalen Sicherheit, der Vermeidung von Wirtschaftsspionage und für die IT-Sicherheit der Bürger umgehend und deutlich aufgestockt werden.“

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