Wie mittelständische Unternehmen die Potenziale der Digitalisierung optimal nutzen

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Eine Praxisstudie des Wittener Instituts für Familienunternehmen (WIFU) und des Forschungszentrums Mittelstand der Uni Trier zeigt Wege zu einer erfolgreichen Digitalisierung mittelständischer Unternehmen auf. Die gewonnenen Erkenntnisse bieten Familienunternehmerinnen und Familienunternehmern interessante Anregungen für laufende oder zukünftige Digitalisierungsprojekte.

Die Potenziale digitaler Technologien wie Blockchain, Künstlicher Intelligenz, Augmented Reality, um nur einige zu nennen, sind groß, liegen aber in der betrieblichen Anwendung teilweise nicht eindeutig auf der Hand oder erfordern radikale Veränderungen von Geschäftsmodellen, um ihre volle Wirkung zu entfalten. Ähnlich verhält es sich mit der weiterhin zunehmenden Menge verfügbarer Daten für Unternehmen.

Praxisnahe Untersuchungen und eigene Beobachtungen machen deutlich, dass viele Unternehmen diese Potenziale noch nicht voll ausschöpfen. Diesen ggf. noch ungenutzten Chancen steht für Unternehmen zudem eine reale Gefahr gegenüber. In immer mehr Branchen treten plötzlich Start-ups oder etablierte Tech-Unternehmen mit digitalen Leistungsangeboten ein, die bewährte, zumeist analoge Lösungen substituieren und damit Marktanteile für sich erobern. Somit ergibt sich eine zentrale Herausforderung für den deutschen Mittelstand und vor allem für Familienunternehmen, die seit jeher als Rückgrat der deutschen Wirtschaft gelten.

Professor Dr. Thomas Clauß ist Inhaber des WIFU-Stiftungslehrstuhls für Corporate Entrepreneurship und Digitalisierung in Familienunternehmen (Bild: Universität)

Unternehmen, die seit Generationen eng mit ihren Traditionen verbunden sind und sich durch eher stetige und schrittweise Innovationen auszeichnen, stehen vor der gewaltigen Aufgabe, sich digital zu transformieren. Wie kann dies gelingen? Womit sollte man beginnen? Und was sind die wesentlichen Barrieren der Digitalisierung? Diesen und weiteren Fragen widmet sich die aktuelle WIFU-Studie „Digitalisierung in deutschen Familienunternehmen – Empirische Befunde zu Status quo, Zielsetzungen und Erfolgsfaktoren“.

Auf Basis einer umfangreichen Befragung deutscher mittelständischer Unternehmen beleuchten die Autorinnen und Autoren den aktuellen Stand der Digitalisierung im deutschen Mittelstand, identifizieren wesentliche Erfolgstreiber und analysieren die finanziellen Erfolgspotenziale von Digitalisierungsmaßnahmen. In ihrer Analyse nehmen sie insbesondere die Rolle der Eigentümerinnen und Eigentümer in Familienunternehmen in den Blick. Die Datengrundlage bilden 525 Unternehmen, 444 davon sind Familienunternehmen.

„Es wird häufig darauf hingewiesen, dass Deutschland in puncto Digitalisierung international zurückhängt. Wo der deutsche Mittelstand und insbesondere Familienunternehmen jedoch nach der Corona-Krise wirklich stehen und wo seine Stärken und Schwächen liegen, dafür liegen nur wenige belastbare Befunde vor“, erläutert Prof. Dr. Thomas Clauß, Erstautor der Studie den Zweck.

Hier die zentralen Erkenntnisse der Studie:

Familienunternehmen haben Aufholbedarf

Die Ergebnisse zeigen, dass Familienunternehmen insgesamt geringer digitalisiert sind als Nicht-Familienunternehmen. Dieser Digitalisierungsrückstand lässt sich innerhalb verschiedener Unternehmensbereiche und vor allem bei der Digitalisierung der Geschäftsmodelle erkennen. Trotz der Rückstände verfolgen Familienunternehmen und Nicht-Familienunternehmen aber ähnliche Digitalisierungsziele. Beide Unternehmensformen betrachten die Digitalisierung als Möglichkeit zur Optimierung bestehender Geschäftsmodelle und gewichten Effizienzziele höher als Wachstumsziele.

Ein strategischer Fokus führt zu einem höheren Digitalisierungsgrad

Im Zuge der Digitalisierung wirken sich sowohl eine starke Betonung von Effizienzzielen als auch eine starke Betonung von Wachstumszielen förderlich auf den Digitalisierungsgrad in Familienunternehmen aus. Unabhängig von den der Digitalisierung zugrunde liegenden Absichten ist es für Familienunternehmerinnen und Familienunternehmer wichtig, ein klar definiertes Digitalisierungsziel zu haben.

Digitalisierung ist Eigentümersache

Ein hoher Einfluss der Eigentümerinnen und Eigentümer steigert den Digitalisierungsgrad in Familienunternehmen in nahezu allen Bereichen. Dieser starke Einfluss der Eigentümer als Digitalisierungstreiber fungiert als Alleinstellungsmerkmal und unterscheidet Familienunternehmen von Nicht-Familienunternehmen.

Weiterbildung lohnt sich. Eigentümer benötigen die richtige Kompetenz

Eine hohe Identifikation mit dem Familienunternehmen reicht nicht aus; Eigentümer benötigen auch die richtige Kompetenz, um den Digitalisierungsgrad im Familienunternehmen voranzutreiben. Dabei zeigt sich, dass neben Kompetenzen im Bereich Digitalisierung auch Kompetenzen im Bereich unternehmerischer Transformationsprozesse wichtig sind.

Die Familie muss nicht im Management vertreten sein, um die Digitalisierung voranzutreiben

Das Management in Familienhand hat einen geringen Einfluss auf den Digitalisierungsgrad innerhalb von Familienunternehmen. Es zeigt sich, dass Familienunternehmerinnen und Familienunternehmer persönliche Kundenbeziehungen wahren und in diesen Bereichen die Digitalisierung in deutlich geringerem Ausmaß vorantreiben.

Die Digitalisierung ist unabhängig von der Generation des Familienunternehmens

Es gibt keine generationalen Unterschiede in Bezug auf den Digitalisierungsgrad von Familienunternehmen. Egal, ob Familienunternehmen in jüngerer Generation oder Familienunternehmen in älterer Generation – beide Unternehmenstypen haben einen ähnlich hohen Digitalisierungsgrad.

Flache Hierarchien fördern die Digitalisierung

Unsere Ergebnisse zeigen, dass Familienunternehmen, die über vergleichsweise schwache Hierarchien verfügen, auch einen höheren Digitalisierungsgrad aufweisen.

„No risk, no digitalisation“

Es lohnt sich, ein Risiko einzugehen. Familienunternehmen mit hoher Risikobereitschaft weisen durchschnittlich einen höheren Digitalisierungsgrad auf als Familienunternehmen mit geringer Risikobereitschaft.

Digitalisierung als „Performance Boost“

Digitalisierung lohnt sich: Ein hoher Digitalisierungsgrad wirkt sich positiv auf die Profitabilität und das Umsatzwachstum von Familienunternehmen aus

Die komplette Studie steht hier zum kostenlosen Download bereit.

Mehr zum Thema:

Das Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU) an der Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft der Universität Witten/Herdecke ist in Deutschland der Pionier und Wegweiser akademischer Forschung und Lehre zu Besonderheiten von Familienunternehmen. Drei Forschungs- und Lehrbereiche – Betriebswirtschaftslehre, Psychologie/Soziologie und Rechtswissenschaften – bilden das wissenschaftliche Spiegelbild der Gestalt von Familienunternehmen. Dadurch hat sich das WIFU eine einzigartige Expertise im Bereich Familienunternehmen erarbeitet. Ein exklusiver Kreis von rund 80 Familienunternehmen macht dies möglich. So kann das WIFU auf Augenhöhe als Institut von Familienunternehmen für Familienunternehmen agieren. Mit derzeit 21 Professoren leistet das WIFU seit mehr als 20 Jahren einen signifikanten Beitrag zur generationenübergreifenden Zukunftsfähigkeit von Familienunternehmen.

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