Herrscht bei Ihnen auch SNAFU?

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SNAFU ist ein aus der amerikanischen Soldatensprache stammendes Akronym, das für “Situation Normal: All Fucked Up” steht. Es wurde ursprünglich im Militärjargon verwendet, um ironisch zu beschreiben, dass Chaos, Missstände und Kommunikationsprobleme als normaler Zustand akzeptiert werden. Was können Unternehmensgremien von diesem Akronym lernen?

Von Rudolf X. Ruter

Sinngemäß entspricht dies der Redensart „Operation geglückt, Patient tot“ – eine oberflächlich erfolgreiche Durchführung von Aufgaben, bei der jedoch die wesentlichen Ziele verfehlt werden.

Wenn wir SNAFU auf den Aufsichtsrat übertragen, bietet sich eine interessante Perspektive, wie dieser auf organisatorische und kommunikative Probleme reagieren und sie verhindern kann.

Hier sind einige Anregungen, die ein Aufsichtsrat aus dem Konzept von SNAFU ziehen kann:

1. Erkennen von systemischen Problemen

Rudolf X. Ruter (Weitere Literaturhinweise: Beiräte in mittelständischen Familienunternehmen, Boorberg Verlag)

SNAFU beschreibt eine Situation, in der strukturelle Probleme so sehr in die Routine eingebettet sind, dass sie nicht mehr als solche wahrgenommen werden. Für den Aufsichtsrat bedeutet dies, dass er ein Bewusstsein dafür entwickeln muss, wann Prozesse oder Entscheidungen nur noch dem Anschein nach funktionieren, in Wahrheit aber dysfunktional sind.

Fragen für den Aufsichtsrat:

  • Sind Berichte und Informationen, die wir erhalten, wirklich aussagekräftig?

2. Kommunikation als Schlüssel

Einer der Hauptauslöser für SNAFU-Situationen ist schlechte oder verzerrte Kommunikation. Im Unternehmenskontext können sich falsche Annahmen, unklare Informationen oder gezielte Schönfärberei einschleichen, die den Aufsichtsrat von der Realität entfernen. Der Aufsichtsrat muss sicherstellen, dass Kommunikation in alle Richtungen transparent, offen und ungeschönt ist.

Maßnahmen:

  • Regelmäßige direkte Gespräche mit unterschiedlichen Ebenen des Managements.
  • Einfordern unabhängiger externer Analysen, um blinde Flecken aufzudecken.

3. Vermeidung des „Groupthink“

SNAFU wird oft durch ein kollektives Schweigen oder Zustimmung innerhalb einer Gruppe verstärkt. Wenn niemand Probleme anspricht, bleiben diese bestehen. Der Aufsichtsrat sollte daher aktiv eine Kultur fördern, in der kritisches Denken und Hinterfragen erlaubt und erwünscht sind.

Fragen für den Aufsichtsrat:

  • Sind alle Mitglieder bereit, unbequeme Fragen zu stellen?
  • Wie wird mit Abweichungen von der Mehrheitsmeinung umgegangen?

4. Fokus auf das große Ganze

Wie in der Redensart „Operation geglückt, Patient tot“ kann es passieren, dass ein Unternehmen operative Ziele erreicht, dabei aber die strategischen Ziele oder ethischen Grundwerte aus den Augen verliert. Der Aufsichtsrat sollte sicherstellen, dass kurzfristige Erfolge nicht langfristigen Schaden verursachen.

Checkliste für den Aufsichtsrat:

  • Werden strategische Ziele regelmäßig überprüft und angepasst?
  • Gibt es einen Abgleich zwischen kurzfristigen Erfolgen und langfristiger Nachhaltigkeit?

5. Kulturwandel anstoßen

Ein systematisches SNAFU entsteht in Organisationen, deren Kultur auf Vermeidung von Verantwortung und auf Symptombekämpfung basiert. Der Aufsichtsrat kann helfen, solche Muster zu durchbrechen, indem er eine Kultur der Offenheit, der Fehleranalyse und des Lernens fordert.

Fragen zur Unternehmenskultur:

  • Wird Scheitern als Chance zur Verbesserung gesehen?
  • Sind die Werte des Unternehmens auch in Krisenzeiten erkennbar?

SNAFU als Warnsignal

SNAFU mag auf den ersten Blick humorvoll oder zynisch erscheinen, doch es bietet wichtige Hinweise darauf, wie Organisationen in Missstände geraten und diese normalisieren können.

Ein Aufsichtsrat, der bereit ist, hinter die Kulissen zu blicken, ungeschönte Informationen einzufordern und strukturelle Probleme anzugehen, kann dazu beitragen, dass „Normalität“ nicht gleichbedeutend mit Chaos wird.

Stattdessen kann er dazu beitragen, dass Organisationen nachhaltig und gesund agieren – auch in stürmischen Zeiten. Klarheit statt Chaos: Der Aufsichtsrat als Hüter der Wirklichkeit.

Mehr zum Thema:

Rudolf X. Ruter ist Wirtschaftswissenschaftler, Autor, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater. Er ist ein Experte für Aufsichtsräte und Beiräte, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Themen wie Nachhaltigkeit und Corporate Governance. Sein „Podcast für den Aufsichtsrat“ erzielt regelmäßig hohe Reichweiten. Nach seiner Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer bei Arthur Andersen baute er als Partner bei Partner bei EY (vormals Ernst & Young) den Geschäftsbereich Nachhaltigkeit in Deutschland auf und leitete diesen bis 2010. Ruter war von 2008 bis 2013 Leiter des Arbeitskreises ‚Nachhaltige Unternehmensführung‘ in der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. und von 2020 bis 2024 Mitglied der Expertenkommission des Deutschen Public Corporate Governance – Musterkodex, von 2009 bis 2025 Beiratsmitglied der Financial Expert Association und Mitglied der Deutschen Digitalen Beiräte.
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2 Antworten zu “Herrscht bei Ihnen auch SNAFU?”

  1. Der Aufsichtsrat als Hüter der Wirklichkeit.

    So sollte es stets sein.

    Der Aufsichtsrat sollte stets in allen Belangen als objektiver Wächter agieren, der sicherstellt, dass unternehmerische Entscheidungen auf fundierten Fakten basieren.

    Er verhindert, dass unrealistische oder ideologisch gefärbte Vorstellungen den Kurs des Unternehmens bestimmen. Durch seine unabhängige Kontrolle schützt er die Interessen aller Stakeholder und gewährleistet Transparenz im Entscheidungsprozess.

    Dadurch wird das Vertrauen in das Unternehmen gestärkt und langfristig eine nachhaltige und realitätsnahe Entwicklung gesichert.

  2. Vielen Dank für diesen Impuls lieber Rudolf Ruter. Wenn der Aufsichtsrat aus dem SNAFU-Prinzip lernt, systemische Schwächen zu erkennen, transparente Kommunikation zu fördern und Groupthink zu vermeiden, kann er womöglich wirklich zum Hüter der Wirklichkeit werden. Wichtig wäre dabei zu beachten, dass diese “Wirklichkeit” zu einer Version der Realität dieses Gremiums wird.

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