
SF6 – das Treibhausgas, über das kaum jemand spricht
Schwefelhexafluorid (SF6) ist ein sehr dichtes Gas, das häufig als Isolator in Stromnetzen wie Hochspannungsschaltanlagen verwendet wird. Es hat hervorragende technische Eigenschaften, ist aber zugleich das stärkste Treibhausgas. Im internationalen Klimaschutz hat es bisher wenig Beachtung gefunden.
Das Treibhauspotenzial (GWP) von SF6 ist 24.300-mal so hoch wie das von CO2. Im Gegensatz zu Co2, das Teil des Kohlenstoffkreislaufs unseres Planeten ist, kann SF6 bis zu 3.200 Jahre in der Atmosphäre verbleiben. Aus diesem Grund ist es von entscheidender Bedeutung, Maßnahmen zu ergreifen und die diffusen Emissionen zu begrenzen. Doch das Problem wird gemeinhin wenig adressiert. Doch es gibt Lösungsansätze.
Woher kommen SF6-Emissionen?
Insbesondere bei veralteter elektrischer Infrastruktur wie Schaltanlagen kann es zu Gaslecks kommen, die oft schwer zu erkennen und zu beheben sind. Darüber hinaus können auch unsachgemäße Handhabung bei Wartung und Reparatur, Leckagen oder eine ineffiziente Rückgewinnung bei der Stilllegung von Geräten zu SF6-Emissionen führen. Nach Recherchen des Climate-Tech-Unternehmens Plane2050 befinden sich 80 Prozent des weltweiten SF6 sich in gasisolierten Hochspannungsschaltanlagen, die wichtige elektrische Geräte für die Hochspannungsübertragung in unseren Netzen und großen Industriestandorten sind.
Der geschätzte Gesamtbestand an SF6 liegt zwischen 100.000 bis 200.000 Tonnen weltweit, was einem Potenzial von 2,3 bis 4,6 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten entspricht. Dies gilt für das Jahr 2020, allerdings muss man die Tatsache berücksichtigen, dass sich die Stromerzeugung bis 2050 vervierfachen wird. Auch wird nicht der gesamte SF6-Bestand verloren gehen. Aber die Zahlen geben eine Vorstellung vom Ausmaß des Problems und davon, dass tatsächliches Potenzial für die Gutschrift vermiedener Emissionen besteht.
Es gibt Lösungen
Für eine wirksame Emissionskontrolle ist die strikte Einhaltung gesetzlicher Vorschriften unerlässlich. Darüber hinaus sind die Integration fortschrittlicher Gasüberwachungstechnologien und die Umstellung auf umweltverträgliche Alternativen notwendig.

Auch während der jüngst stattgefundenen Weltklimakonferenz COP29 in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku war das SF6-Problem auf zwei Veranstaltungen Thema. Auf einem Fachtreffen des Klima-Tech-Unternehmens Planet2050 stellte dessen CEO Lucas Zaehringer ihre laufenden Initiativen zur Nutzung digitaler Rückverfolgbarkeit unter Einsatz von Internet of Things (IoT) vor. Denn SF6-Minderungslösungen gibt es heute insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung von Fehlbedienungen, der Leckageerkennung und -reduzierung sowie der Abdichtung und Reparaturen.
Planet2050 hat dazu im August 2024 eine strategische Partnerschaft mit MasterGrid vereinbart. Planet2050 bringt dabei seine Expertise in Kohlenstoffmärkten und digitalen Tracking-Technologien ein und nutzt gleichzeitig die über 100-jährige Erfahrung von MasterGrid im Umgang mit Netzinfrastruktur weltweit sowie der Herstellung und Wartung von gasisolierten Hochspannungsschaltanlagen. Erste Pilotprojekte werden in diesem Jahr realisiert.
Was Deutschland leisten kann
Auf einer anderen Veranstaltung in Baku des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK, heute Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) und der Perspectives Climate Group ging es um das politische Engagement, die Emissionsreduzierung von für SF6 zu unterstützen. Ein konkretes Projekt wird von der Perspectives Climate Group mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) durchgeführt. Axel Michaelowa, Senior-Gründungspartner bei Perspectives Climate, legte dar, dass damit konkrete technische Hilfe für die Installation als auch für die Wartung neuer, SF6-freier Anlagen geleistet wird.
Zudem betone er die Rolle von Privatwirtschaft und Investoren. Hier käme vor allem Emissionsgutschriftsystemen eine Rolle als Möglichkeit zu, den Privatsektor zu mobilisieren. Die Nachfrage nach SF6-bezogenen Kohlenstoffgutschriften würde von Regierungen kommen, die ihre national festgelegten Beiträge (NDCs) im Rahmen des Pariser Abkommens zur Deckung ihrer SF6-Emissionen erfüllen müssen; oder Fluggesellschaften, die im Rahmen des sogenannten CORSIA-Systems zum Emissionsausgleich verpflichtet sind.
Wie Technologie einen wichtigen Beitrag zur SF6-Minderung leisten kann
Klare Handlungsempfehlungen wurden auch auf einer Konferenz im April diesen Jahres in Dubai formuliert. Planet2050 und MasterGrid luden Vertreter von Wirtschaft, Regierungs- und Nicht-Regierungsorganisationen zur Diskussion über die SF6-Problematik. Anlass war die Vorstellung einer tiefgehenden Analyse zur SF6-Problematik der bedien Akteure. Der Bericht untersucht die Klimaauswirkungen von SF6, skizziert Lösungsansätze und untersucht seine Rolle auf den Kohlenstoffmärkten (hier zum Download).
Die Teilnehmer erlebten hautnah, wie Technologie einen wichtigen Beitrag zur SF6-Minderung leisten kann. Zu den vorgestellten Innovationen zählten beispielsweise Wärmebildkameras zur Echtzeit-Erkennung von SF6-Leckagen, passgenaue Dichtungslösungen zur Leckagebehebung oder IoT-fähige Überwachungssysteme zur kontinuierlichen Emissionsverfolgung. Diese praktischen Demonstrationen zeigten, wie sich technisches Know-how bereits heute in Klimaeffekte umsetzt. Dank praxisnaher Instrumente ist die Reduzierung von SF6-Emissionen kein Zukunftsziel mehr – sie geschieht bereits heute.
Technologie, öffentliche Förderung und marktwirtschaftliche Instrumente – in diesem Dreiklang könnte dem Klimaproblem, dass in unseren Gasleitungen steckt, wirkungsvoll entgegengetreten werden.
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