Herr Merz, es ist Zeit, sich bei Javier Milei zu entschuldigen

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Friedrich Merz hatte Javier Milei öffentlich vorgeworfen, sein Land zu ruinieren und die Menschen „mit Füßen zu treten”. Rainer Zitelmann meint, er solle sich bei ihm dafür entschuldigen.

Von Dr. Dr. Rainer Zitelmann

Lieber Herr Merz,

ich war mal ein Fan von Ihnen. Sie können es überprüfen, denn ich war lange aktiv in der Facebook-Gruppe „Friedrich Merz muss Bundeskanzler werden“. Ich habe, obwohl seit 31 Jahren FDP-Mitglied, kräftig die Werbetrommel für Sie gerührt. Schon 2008 hat mir ihr Buch „mehr Kapitalismus wagen“ gefallen.

Ich gebe zu, dass ich Zweifel bekam, als Sie sich immer wieder entschuldigten oder „einordneten“, wenn linke Parteien oder Medien Sie wegen Äußerungen kritisiert haben, wo Sie absolut Recht hatten. Meine Zweifel wurden verstärkt, als Sie Ihrer Partei grünes Licht gaben, mit den Sozialisten vom BSW zusammenzuarbeiten.

Friedrich Merz und seine Äußerungen zu Javier Milei

Aber dann kam eine Äußerung, die hätte ich nicht für möglich gehalten. Nachdem der damalige FDP-Chef Christian Lindner – leider etwas spät – empfohlen hatte, „mehr Milei zu wagen“ sagten Sie in der ARD-Talkshow Maischberger: „Ich bin ehrlich gesagt völlig entsetzt gewesen, dass Christian Lindner diesen Vergleich gemacht hat. Denn was da zur Zeit in Argentinien geschieht, wir verfolgen das nun ja auch nicht jeden Tag, aber was dieser Präsident dort macht, er ruiniert das Land, er tritt wirklich die Menschen mit Füßen, und das als Beispiel für Deutschland zu nehmen, ich muss sagen, ich bin einigermaßen sprachlos gewesen, und das passiert bei mir nicht so häufig.“ Die linke taz war hellauf begeistert und titelte: „Wo Merz richtig liegt“.

Ich habe mir überlegt, was Sie dazu gebracht hat, etwas zu sagen, was offensichtlich vollkommen abwegig ist. Lag es daran, dass Sie nichts über Argentinien und  Javier Milei wissen? Nun, dann sollte man besser still sein. Oder wollten Sie Christian Lindner einfach eins auswischen? Oder war es einfach die bürgerliche Gefallsucht gegenüber linken Medien, das große Problem der CDU?

Milei hat Inflation und Armut zurückgedrängt

Zu den Tatsachen: Argentinien war vor 100 Jahren noch eines der reichsten Länder der Welt, ähnlich reich wie die USA. Die Armut hat nicht der Libertäre Milei gebracht, sondern die Armut brachten Sozialisten, Peronisten, Etatisten. Über Jahrzehnte stieg das Land ab. Seit 1945 gab es kaum ein Jahr – mit Ausnahme der 90er Jahre -, wo das Land nicht eine zweistellige Inflation aufwies.

Alle Befragungen vor der Wahl Mileis zeigten, dass die Bürger die Inflation als das zentrale Problem Argentiniens ansahen. Als Milei die Präsidentschaft übernahm, lag sie bei 25,5 Prozent im Monat (nicht im Jahr!), heute liegt sie bei 1,5 Prozent im Monat.

Ja, die Armut stieg vorübergehend an, wie ich es bereits vor Mileis Wahlsieg erwartet hatte. Inzwischen ist sie deutlich unter den Wert von Mileis Amtsantritt gesunken. Von 41,7 Prozent beim Amtsantritt stieg die Armut zunächst auf bis fast 55 Prozent und liegt heute bei 31,7 Prozent, also zehn Prozentpunkte unter dem Niveau von Mileis Amtsantritt. Das ist der niedrigste Stand seit 2018. Bezeichnend ist, dass deutsche Medien groß berichteten, als die Armut vorübergehend stieg und jetzt erstaunlich wenig darüber berichten, dass sie fällt.

Konsequent marktwirtschaftliche Reformen

Dabei ging der Rückgang der Armut sogar schneller, als selbst der bekennende Milei-Fan Zitelmann es erwartet hatte. Denn wenn ein Politiker konsequent marktwirtschaftliche Reformen durchführt, die bestehende Strukturen zerschlagen, ist dies häufig mit einem vorübergehenden Rückgang des Bruttoinlandsproduktes und mehr Armut und Arbeitslosigkeit verbunden.

Das war beispielsweise so bei den marktwirtschaftlichen Reformen von Maggie Thatcher in Großbritannien Anfang der 80er Jahre und bei der kapitalistischen „Schocktherapie“ von Leszek Balcerowicz in Polen Anfang der 90er Jahre. Sie wissen, dass Polen inzwischen seit mehreren Jahrzehnten eines der am stärksten wachsenden Länder Europas und der Welt ist – die Grundlage wurde durch die kapitalistische Schocktherapie von Balcerowicz gelegt. Balcerowicz und Milei sind Kollegen und Brüder im Geiste – beide Ökonomen lassen sich von den Lehren von Friedrich August von Hayek und von Ludwig von Mises leiten.

Waren Sie schon mal in Argentinien, Herr Merz?

Hat Argentinien schon alle Probleme überwunden? Natürlich nicht. Ich erwarte noch viele Schwierigkeiten und auch Rückschläge. Die versprochene „Dollarisierung“ steht noch aus. Aber in der kurzen Zeit hat Milei sehr viel erreicht – und Sie könnten stolz sein, wenn Sie eine ähnliche Bilanz ziehen könnten nach ein oder zwei Jahren als Bundeskanzler.

Lieber Herr Merz, wann waren Sie das letzte Mal in Argentinien? Oder waren Sie überhaupt schon einmal dort? Ich war zuletzt 2022, 2023 und 2024 in Argentinien und habe dort das Elend gesehen und die Hoffnung der vielen armen Menschen, die auf Milei setzten. Ich habe dort mit Politikern der Milei-Bewegung, mit Think tanks, Ökonomen und jungen Menschen gesprochen. Milei hat seine Wähler nicht enttäuscht. Laut Umfragen, ist er der beliebteste Präsident Südamerikas. Seine Zustimmungsquote liegt bei 53,5 Prozent – bis Sie dort sind, Herr Merz, ist es noch ein Stückchen.

Würde mir wünschen, dass wir in Deutschland „mehr Milei wagen“

Im Unterschied zu Ihnen hat Milei vor den Wahlen genau das angekündigt, was er danach gemacht hat. Ich würde mir wünschen, dass wir auch in Deutschland „mehr Milei wagen“, denn das ist dringend notwendig. Ihre Amtsvorgängerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Sie begeistert im Europa-Wahlkampf unterstützten, haben Deutschland und Europa (zuerst die Energiewirtschaft und dann die Automobilindustrie) immer mehr in Richtung Planwirtschaft geführt. Und genau dies – nicht nur die Ampel-Politik – ist der Grund für den wirtschaftlichen Schlamassel, in dem wir uns befinden.

Was wir bräuchten, wäre das, was Friedrich Merz 2008 geschrieben hat: „Mehr Kapitalismus wagen“. Das ist gleichbedeutend mit „mehr Milei wagen“.

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Dieser Beitrag ist zuerst bei Focus Online erschienen.

Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker – und war auch als Unternehmer und Investor erfolgreich. Er hat 30 Bücher geschrieben und herausgegeben, die in über 35 Sprachen übersetzt wurden (“Weltreise eines Kapitalisten“, “Warum Entwicklungshilfe nichts bringt und wie Länder Armut wirklich besiegen“, “Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“) und jüngst auch die Master-ClassFinanzielle Freiheit – Schluss mit der Durchschnittsexistenz vorgelegt. Sein jüngstes Buch ist der Anti-Woke Roman 2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird.

Bild oben: Javier Milei bei einem Treffen mit Emmanuel Macron am 17.11.2024 in Buenos Aires (Quelle: imago)

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