Wahlprogramme 2021 im Sprach-Check: CDU/CSU

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Exklusiv für DDW Die Deutsche Wirtschaft wurde das CDU/CSU-Wahlprogramm von den beiden Sprachexperten Armin Reins und Géza Czopf einer sprachlichen Analyse unterzogen.

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Die Union fährt seit Jahrzehnten eine gegensätzliche Strategie zur SPD und deren häufigen Verwendung von Negativ-Begriffen: klotzen nicht kleckern, wenn es um das Vorteilhafte geht. Ganz im Sinne der 1973 gegründeten „Projektgruppe Semantik“, die sich das Ziel setzte, möglichst viele (positive) Begriffe zu vereinnahmen und an sich zu binden. In dieser Tradition steht auch der Einstieg ins CDU/CSU-Wahlprogramm 2021, der prototypisch für eine Amtsinhabersprache ist:

„Deutschland ist ein starkes Land. Das ist vor allem ein Verdienst der Bürgerinnen und Bürger, die jeden Tag anpacken, damit es bei uns auch morgen gut läuft. Wir haben starke Betriebe, innovative Startups und Weltmarktführer, herausragende Forscherinnen und Forscher und eines der besten Gesundheits- und Sozialsysteme der Welt. Wir sind ein weltoffenes und sicheres Land; ein Land, das Verantwortung für Sicherheit und Frieden, Freiheit und Wohlstand in Europa und weltweit übernimmt.“

Keine Frage. Hier ist alles in bester Ordnung. Das ist die Maxi-Version von Angela Merkels Hit-Single „Für ein Land, in dem wir gut und gerne leben“. Wie in einem Schlager reihen sich schon in den ersten Sätzen die Wohlfühl-Vokabeln aneinander. Es ist ein Potpourri der Polit-Schlagwörter.

Das CDU/CSU-Wahlprogramm nennt sich „Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland“ und beinhaltet zwei Begriffe, die einen Gegensatz bilden: stabilisieren und erneuern. Das Schlagwort-Bingo wird auch im Folgenden durchgespielt. Schnell werden „soziale Marktwirtschaft“ und „christliches Menschenbild“ untergebracht, die als CDU-Deskriptoren unerlässlich sind.

Und wie es sich für eine konservative Partei gehört, steht auch danach die wertorientierte Sprache im Zentrum. Auch hier gilt aber: Viele Sätze geraten zu reinen Plattitüden:

„Wir wollen die 20er Jahre zu einem Modernisierungsjahrzehnt für unser Land machen. Dabei wollen wir das Gute besser machen. Denn klar ist: Wir können nicht zaubern, aber wir können und wir wollen arbeiten und gestalten“, „Erfolg ist kein Schicksal, sondern das Ergebnis harter Arbeit“, „Dabei stürmen wir nicht blind ins Morgen, sondern halten Maß und Mitte“.

Selbst eine Anleihe aus US-Unabhängigkeitserklärung („pursuit of happiness“) darf nicht fehlen:

„Wir wollen, dass Deutschland eine starke Heimat bleibt, in der möglichst viele Menschen nach ihrem persönlichen Glück streben können.“

Als Regierungspartei packt die CDU alles in einen globalen Zusammenhang, was dem Programm vermutlich zu Größe und Erhabenheit verhelfen soll. Die internationalen Beziehungen stehen vor der Innenpolitik. Die CDU gibt sich als der Global Player unter den deutschen Parteien und bohrt dabei die ganz dicken Bretter:

„Deutschland als Stabilitätsanker in der globalen Welt“, „China auf Augenhöhe begegnen“, „Deutschland zum Wasserstoff-Land Nr. 1 machen“, „Europäische Finanzarchitektur krisensicher machen“.

Wer jetzt schon leicht mit der Stirn runzelt, wird sich spätestens hier die Augen reiben:

„Europa digital an die Spitze führen“.

Das wohlgemerkt aus der Feder einer Partei, die ihr Land bei der Digitalisierung auf den zwölften Platz (Stand: 2020) in der EU geführt hat.

Es gibt noch mehrere Aussagen im CDU/CSU-Wahlprogramm, die man im Gedächtnis behalten sollte, falls die CDU abermals in die Regierungsverantwortung gewählt werden sollte:

„Automobilstandort Deutschland sichern“, „Wir werden Unternehmen von Bürokratiekosten in Milliardenhöhe entlasten“, „Beste Ausrüstung für die Bundeswehr gewährleisten“, „Insbesondere werden wir uns weiterhin beharrlich für verfolgte Christen einsetzen“, „Null Toleranz gegenüber kriminellen Familienclans“, „Jeder Form von Extremismus entschieden entgegentreten“.

An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, heißt es nicht nur in der Bibel. Auch die CDU lehnt sich weit aus dem Fenster, aber auf Seite fünf ihres Programmes steht nun einmal geschrieben:

„Wir werden nichts versprechen, was wir nicht einhalten können.“

Bei diesem pathetischen, fast schon salbungsvollen Stil („Neustart im Verhältnis zwischen Staat und Bürger“), der von unzähligen Polit-Parolen begleitet wird („Sicherheit und Frieden, Freiheit und Wohlstand für die Menschen in Deutschland“), darf auch der Personen-Kult nicht fehlen:

„Mit überzeugten Europäern wie Konrad Adenauer, Helmut Kohl, Franz Josef Strauß, Theo Waigel und Angela Merkel haben wir die europäische Einigung geprägt“.

Die CDU greift auch auf das Freund-Feind-Schema zurück, interpretiert eine Sachlage aber je nach Gusto unterschiedlich. So heißt es:

„Wir werden uns weiterhin für ein Ende des Konflikts in der Ostukraine und für eine Rückkehr zum legitimen völkerrechtlichen Status der Krim einsetzen. Solange die russische Regierung dazu nicht bereit ist, müssen die Sanktionen bestehen bleiben.“ Oder: „Um eigene Interessen durchzusetzen, greift die russische Regierung mittlerweile zu offenen Drohungen gegen NATO-Verbündete, zu Cyberangriffen, zu Desinformation und Propaganda.“

Aber hat nicht die CDU das North-Stream-2-Geschäft mit Russland abgeschlossen, und zwar gegen den ausdrücklichen Willen der transatlantischen Partner? Auch dafür gibt’s eine Erklärung:

„Wir suchen zugleich weiter den Dialog und die Zusammenarbeit mit Russland dort, wo gemeinsame Interessen bestehen.“

So etwas nennt man dann wohl christdemokratische Dialektik.

Die Fürsorgepflicht reicht bei der CDU übrigens bis in die Privatsphäre:

„Wir werden gute Rahmenbedingungen für eine gesundheitsförderliche, ausgewogene und nachhaltige Ernährung schaffen. Es soll für Jede und Jeden beim Einkauf und beim Essen außer Haus einfach möglich sein, eine gesunde Wahl zu treffen.“

Gendersternchen gibt es bei der CDU zwar (noch) nicht, dafür wird die Paarform durchgezogen. So spricht die CDU im Wirtschaftsteil von „Macherinnen und Macher“, die vom „Entfesselungspaket für die Wirtschaft“ profitieren sollen. Auch dieser Begriff hat etwas Eigenartiges. Wie lässt sich etwas schnüren, was entfesseln soll?

Einst für ihre Wirtschaftskompetenz gerühmt, schauen wir in puncto Wirtschaft genau hin.

„Die Arbeitswelt ist im Wandel, insbesondere wegen der fortschreitenden Digitalisierung“,

heißt es im CDU/CSU-Wahlprogramm. Und was ist die Antwort der Partei darauf, deren Forschungsministerin einst behauptete, 5G sei „nicht an jeder Milchkanne notwendig“? Sie lautet „digitale Transformationsoffensive“. Das klingt reißerisch, ist aber nicht leicht verständlich. Ist die Transformationsoffensive (was auch immer das heißen mag) digital? Oder gibt es eine Offensive für die Transformation ins Digitale?

Nicht nur dort, aber auch beim Digitalen kann die CDU auch kompliziert:

„Wir brauchen eine kluge Balance aus Maßnahmen für mehr digitale Autonomie und dem Management verschiedener internationaler Handlungsoptionen, um die Risiken der digitalen Abhängigkeit beherrschbar zu machen.“

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