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Wahlprogramme 2021 im Sprach-Check: FDP
Exklusiv für DDW Die Deutsche Wirtschaft wurde das FDP-Wahlprogramm von den beiden Sprachexperten Armin Reins und Géza Czopf einer sprachlichen Analyse unterzogen.
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Das nächste Werk unserer Analyse begnügt sich mit einem Drittel des Umfangs des grünen Programms. Sowohl von der Sprache wie von der Aufmachung her hätte es viel besser zu den Grünen gepasst. Es stammt aber von der FDP.
Die Liberalen möchten drittstärkste Kraft im Bundestag werden und präsentieren sich mit einem quietschbunten Auftritt. Sind da etwa Anklänge an die Zeit zwischen 1998 und 2002 zu sehen, als die FDP zur Spaßpartei („Projekt 18“, „Guidomobil“) avancierte? Auf diesem Titelblatt schreien einen nicht nur die Farben an, sondern auch die überdimensionierte Versalschrift: „NIE GAB ES MEHR ZU TUN“.
Damit macht die FDP eine Ansage an die Regierungsparteien. Was für die Grünen das Klima, ist für die FDP die Digitalisierung. Und dass sie das ernst meinen, zeigen sie bereits auf dem Titel. Sie kommen der Lesegewohnheit der ungeduldigen „digital natives“ entgegen, indem sie das Wahlprogramm auf dem Titel zusammenfassen – und dabei auch nicht vergessen, eine Empfehlung für eine Regierungskoalition abzugeben:
„Wir sind Freie Demokraten. Wir glauben, dass Deutschland jetzt einen Neustart braucht. Wir glauben, dass es moderner, digitaler und freier werden muss. Wir glauben an das große Potenzial unseres Landes. Wir sind bereit, Verantwortung dafür zu übernehmen.“
Die Sprache im FDP-Wahlprogramm ist prägnant und angriffslustig. Das zeigen die kurzen Sätze und die scharfen Spitzen:
„Wie es ist, darf es nicht bleiben. Das hat die Pandemie gezeigt. Gespürt haben wir es schon vorher. Denn die Welt verändert sich rasant. Daraus erwachsen Chancen und Risiken. Wenn wir nichts ändern, tragen wir die Risiken, und die Chancen ergreifen andere. Trotzdem wurde in Deutschland zu lange das trügerische Bild vermittelt, dass alles bleiben könne, wie es ist. Viele haben dem Versprechen vertraut, dass Deutschland das Land bleiben könne, in dem wir gut und gerne leben, ohne dass wir etwas verändern müssen. Heute wissen wir: Das war falsch!“
Nicht nur das berühmte Merkel-Zitat wird angegriffen, die gesamte Verwaltung wird verspottet:
„Während andere Staaten ihr Gesundheitssystem digitalisiert haben, haben sich unsere Gesundheitsämter gegenseitig Faxe geschickt“
Oder:
„Wir haben uns in der Krise an die Basistechnologie Papier geklammert, als wären wir noch im 20. Jahrhundert“.
In ihren Forderungen verdeutlicht die FDP immer wieder ihre ideologische Basis von Entbürokratisierung und Liberalisierung:
„unkomplizierter Staat“, „Innovation Nation“, „Deutschland als Fürsprecher des Freihandels“.
Redet die CDU von einem „Entfesselungspaket für die Wirtschaft“, so macht die FDP einen „Entfesselungspakt für die deutsche Wirtschaft“ daraus. Was ein gestrichenes e doch ausmachen kann.
Die Sprache der FDP gibt sich trendorientiert, was sich in den Wort-Neubildungen ablesen lässt. Zum Teil in neuen Wendungen wie „enkelfitte Rente“, zum Teil als Anglizismen: „Easy Tax“, „MakerSpaces an Schulen“, „Midlife-BAföG“, „INVEST IN GERMANY“. Das geflügelte Wort „German Angst“ wandeln sie in ihrem Programm in „German Mut“.
Nicht jeder dürfte aber über diese Art zu sprechen, erfreut sein, etwa wenn es heißt:
„Behörden zu One-Stop-Shops machen“.
Hier war offensichtlich eine Agentur am Werk, die Jugendlichkeit und Frische in den Auftritt bringen wollte – oder musste.
Um mehr Dynamik hereinzubringen, wurde auch der Turbo angeschmissen und in Wörtern wie dem „Tilgungsturbo“ oder dem „Eigentumsturbo“ eingebaut.
Diese Passage erinnert uns an einen Werbetext für eine Steuer-Software:
„Easy Tax – einfache Steuererklärung.
Wir Freie Demokraten wollen Easy Tax einführen: die vorausgefüllte Steuererklärung mit einem umfassenden digitalen Service für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.“
Und wie es sich für ordentliche Werbung gehört, fehlen die parteiüblichen Phrasen und Parolen auch hier nicht:
„Fortschritt geht nur nach vorne durch die Mitte. Das ist für uns die richtige Richtung“, „Gründen wir Deutschland neu“, „Werden wir ein Land der Chancen!“
Andererseits ist es erfrischend, wenn Tacheles geredet wird, sogar bei brisanten Themen wie privater Verschuldung:
„Wer bestellt, bezahlt! Wer sich verschuldet, haftet!“
Das kann man sich merken.
Klartext redet die FDP auch bei anderen Punkten. Das Europaparlament soll Vollparlament werden, es soll eine Europa-Armee her und die Amtszeit für Bundeskanzler (ja, sie verwenden hier das generische Maskulinum!) begrenzt werden. An dieser Stelle im FDP-Wahlprogramm schlägt vor lauter Klartext die Logik sogar schon Purzelbäume:
„Das Bauland und somit auch der Wohnraum in unseren Städten wird knapper, die Mieten steigen immer weiter. Dagegen hilft vor allem: Mehr Flächen mobilisieren und mehr bauen“.
Für uns war diese Aussage der Hingucker:
„Ebenso setzen wir uns für die zügige Zulassung von In-vitro-Fleisch in der EU ein.“
Strenggläubigen Christen und Muslimen dürften dagegen diese Punkte auf den Magen schlagen:
„Tanzverbote und ähnliche Einschränkungen an stillen Feiertagen wollen wir abschaffen.“
„Wir wollen liberalen und progressiven Muslimen, die weniger in den muslimischen Verbänden organisiert sind, ein stärkeres Gewicht einräumen.“
Auf Konfrontation zu den Grünen geht das FDP-Wahlprogramm, wenn es um „das Ausgrenzen anderer Meinungen“ geht:
„Cancel Culture widerspricht dem Verfassungsgrundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre. Innerhalb der Grenzen des Grundgesetzes müssen auch schwer erträgliche Meinungen geäußert werden können.“
Oder wenn sie in ihrem Modell der „Bioökonomie“ den „Kunstoff“ (leider auch im Original falsch geschrieben) als „Werkstoff der Zukunft sehen“. Oder wenn sie im Zuge der Entbürokratisierung klarstellen:
„Auf teure Subventionen wie die Kaufprämie für E-Autos wollen wir verzichten.“
Gemeinsamkeiten mit den Grünen finden sich aber auch. Hier folgt der direkte Vergleich der Formulierungen. Einmal zum Thema Cannabis:
„Wir Freie Demokraten fordern eine kontrollierte Freigabe von Cannabis.“
Die Grünen beschreiben dies so:
„werden wir einen regulierten Verkauf von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften ermöglichen und klare Regelungen für die Teilnahme am Straßenverkehr einführen.“
Beim Thema Kryptowährungen schreibt die FDP:
„Wir begrüßen zudem alternative Tauschmittel wie Kryptowährungen auf Blockchain sowie anderen Basen und wollen die Schaffung eines verlässlichen rechtlichen Rahmens fördern und weiterentwickeln.“
Und so lautet dies bei den Grünen:
„Wir wollen den rasanten Entwicklungen im Bereich dezentraler Finanzanwendungen gerecht werden und die Chancen und Risiken von Kryptowährungen und Blockchains differenziert ausloten.“
Wenn es ums Eingemachte geht, kann aber auch die FDP unverständlich und bürokratisch:
„Wir Freie Demokraten wollen insbesondere Gründerinnen beim Zugang zu und bei der Einwerbung von Wagniskapital unterstützen. Dazu fordern wir die Einrichtung eines Venture-Capital-Fonds in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Durch die Schaffung eines Netzwerkes für Investorinnen sowie weiblichen ‚Business Angels‘ sollen zudem gezielt Frauen bei ihren Gründungsvorhaben unterstützt werden.“
Und das ist unser Lieblingssatz im FDP-Wahlprogramm zum Kernthema der Partei, der Digitalisierung:
„Die IT-Systeme der öffentlichen Hand sollen stärker als bislang auf Open-Source-Lösungen bauen, um die Abhängigkeit von einzelnen Anbieterinnen und Anbietern proprietärer Software zu verringern.“
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