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Zwischen Hightech und Handelssterben
DDW hat in seinem neuen StandortRanking Deutschland die stärksten und beliebtesten Wirtschaftsstandorte ermittelt. Mächtige Metropolen und auch beeindruckend wirtschaftsstarke kleinere Standorte finden sich darin. Doch die Zukunft könnte einschneidende Veränderungen mit sich bringen. DDW hat Stimmen und Stimmungen gesammelt.
Handel und Innenstädte
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Der aktuelle Lockdown hat die schwierige Entwicklung der Innenstädte verschärft. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Burkhard Jung aus Leipzig (Rang 27 im Städteranking), sieht dramatische Folgen: „Die Innenstädte wandeln sich rasant. In einigen Städten macht uns der Leerstand große Sorgen. Immer mehr Menschen bestellen am Computer und lassen sich die Waren nach Hause liefern. Aktuelle Umsatzrückgänge von teilweise bis zu 70 Prozent beim stationären Einzelhandel, leere Schaufenster in Einkaufsstraßen und immer mehr Geschäftsaufgaben zeigen: Handel lässt sich nicht mehr überall durch Handel ersetzen.“
Neue Konzepte sind gefragt. „Derzeit sind die Innenstädte zu sehr vom Einzelhandel abhängig“, meint Jung. „Wir wollen eine lebendige Mischung von Wohnen, Arbeiten, Gewerbe, Kultur, Restaurants und Tourismus in den Innenstädten. Und wir wollen verstärkt Handwerk, Kultur und soziale Einrichtungen ins Zentrum holen. Warum nicht auch Schulen und Kitas? Mittelfristig geht es um neue Innenstadt-Konzepte und einen vielfältigen Mix. Das braucht Durchhaltevermögen und konsequentes Handeln aller Akteure“, so Jung.
Lieferketten und Re-Regionalisierung
Schwierig bleibt einzuschätzen, welche Folgen die Corona-Krise auf die globale Wirtschaftsvernetzung haben könnte. Der Ökonom Dr. Daniel Stelter sieht darin eine der größten Herausforderungen für Deutschland, wie er in der letzten Woche im Interview mit DDW sagte: „Wir stehen vor einer massiven Trendwende weltweit. Wir werden nach Corona eine gewisse De-Globalisierung erleben. Es wird mehr Protektionsimus geben und eine gewisse Re-Regionalisierung der Wertschöfpungsketten.“ Für die exportorientierte heimische Wirtschaft und damit die Standorte wäre das ein Problem.
Denn die im Zuge der Corona-Pandemie geäußerte Forderung nach einer weniger integrierten Welt führe zu Einkommens- und Wohlstandsverlusten, sagt auch Lisandra Flach, Leiterin des ifo Zentrums für Außenwirtschaft: „Die Globalisierung zurückzudrehen, also zum Beispiel Produktion in größerem Umfang nach Deutschland zurück zu holen, wäre keine Lösung für die aktuelle Krise“. In Deutschland hätten eine Renationalisierung und das Zurückholen der Produktion enorme negative Folgen auf die Wirtschaftskraft. Laut einer Studie des ifo Instituts liegt das durch Covid-19 verringerte BIP Deutschlands auf dem Niveau von 2013. In einer weniger globalisierten Welt wäre das heutige BIP-Niveau mit dem Stand von 1996 vergleichbar.
Demographie / Talente locken
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Die zunehmende Alterung der Gesellschaft stellt die Städte nicht nur vor infrastrukturelle Herausforderungen. Auch kommt der Gewinnung junger, gut ausgebildeter Fachkräfte – zumal aus digitalen Berufssfeldern – eine immer höhere Bedeutung zu, wenn die ansässigen Unternehmen zukunftsfähig bleiben wollen. Für die Unternehmen an den Standorten gehört dies seit Jahren zu den größten Aufgaben: So haben im „Family Business Barometer“ von KPMG und Die Familienunternehmer in den letzten Jahren zwei von drei befragten deutschen Familienunternehmen (65 Prozent) die Gewinnung von Fachkräften als eine der größten Herausforderungen genannt.
Michael Westhagemann ist Hamburger Senator für Wirtschaft und Innovation und damit Vertreter einer Stadt, die in den meisten Rankingfaktoren den Spitzenplatz einnimmt. Er sieht die Standortattraktivität für Fachkräfte als besonders großes Plus für Hamburg. Gegenüber DDW freut er sich über den ersten Platz im Standortranking und sieht diesen als Bestätigung der Hamburger Wirtschaftspolitik: „Als große europäische Metropole und Drehscheibe des Nordens zählt Hamburg zu den beliebtesten Wirtschaftsstandorten Europas“. Er betont: „Mit ihrer hohen Lebensqualität und den internationalen Verbindungen zieht unsere Stadt außerdem viele talentierte Menschen zum Leben und Arbeiten in Hamburg an.“
Alle Städte im Überblick
Hier zur Vollversion des aktuellen Städterankings mit den Platzierungen aller Städte Deutschlands.
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Weit vorne im Rennen um die jungen Fachkräfte ist bekanntermaßen auch Berlin (Rang 3 im Städteranking). Dr. Stefan Franzke, Geschäftsführer Berlin Partner: „Berlin überzeugt im internationalen Wettbewerb mit seinen Standortvorteilen. Als Hauptstadt der Startup-Szene und Digitalisierungs-Hub etablierter Unternehmen. Die Unternehmen – neue wie bestehende – profitieren von dem großen und internationalen Talentpool, den belastbaren Netzwerken zu Wissenschaft und Forschung und der dynamischen Wirtschaftslage.“
Für die kleineren Standorte weitab der Metropolen bleibt die besondere Anziehungskraft der Metropolen eine echte Aufgabe, eigene Stärken in den Vordergrund zu heben. Dass dabei Kreativität und manchmal auch Augenzwinkern mit vermeindlichen Schwächen zum Erfolg führen, zeigt die Standortkampagne, mit der die Wirtschaftsförderung der Stadt Rheine (Rang 157) 2017 bei der Wahl zum Innovator des Jahres überzeugte.
Homeoffice
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Könnte der durch Corona einen Schub bekommene Trend zu Heimarbeit die Situation ändern? Eher nicht, sagt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie. Ungeachtet des Homeoffice-Booms wollen danach lediglich 6,4 Prozent der Unternehmen in den kommenden zwölf Monaten ihre Bürofläche reduzieren. Einige Firmen wollen aber umbauen, um mehr Raum für Austausch und Kommunikation zu schaffen. Noch am ehesten wollen große Unternehmen mit über 250 Beschäftigten sowie Kanzleien, Beratungen und Wirtschaftsprüfer Flächen verringern, doch auch hier sind es weniger als zehn Prozent der befragten Firmen.
Allerdings könnte die Abwanderung in die umliegenden Städte der Metropolen zunehmen. „Mit dem Arbeiten von Zuhause könnte ein größerer Umkreis um die Metropolen attraktiv werden“, so Studienverantwortlicher Professor Dr. Michael Voigtländer vom IW. Das Homeoffice sei deswegen auch eine Chance für ländliche Regionen. Das Einzugsgebiet der Metropolen könnte sich aber erweitern, mit der Folge, dass sich die Preisanstiege bei Immobilien in Großstädten verlangsamen.
Auch Städtetagspräsident Jung sieht weitreichende Folgen für Stadtplanung und Stadtkonzepte. „Immer mehr Menschen arbeiten im Home-Office. Auch Co-Working wird weiter zunehmen und in der City werden weniger Büros gebraucht.“
Cluster bilden
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Städte, aber auch Regionen stärker zu vernetzen ist ein Erfolgskonzept, dass sich auch in Essen (Rang 8 im Städteranking) zeigt. Andre Boschem, Geschäftsführer der EWG – Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH gegenüber DDW: „Durch die hohe Dichte an namhaften Unternehmen nimmt Essen deutschland- und europaweit eine wichtige Position ein. Das steigert die Attraktivität des Standortes Essen und zeigt sich in wegweisenden Stadtentwicklungsprojekten, Unternehmensansiedlungen und Konzernneubauten.“
Auch der Hamburger Wirtschaftssenator Michael Westhagemann betont den Sogeffekt wirtschaftlicher Vernetzungen: „Mit starken, zukunftsgerichteten Investitionen in Innovation, Bildung, Digitalisierung und Infrastruktur schaffen wir gute Bedingungen für die Akteure in Hamburg und der Metropolregion. Hierbei arbeiten Politik, Verwaltung und Wirtschaft erfolgreich und partnerschaftlich zusammen.“
Die Initiative für solche Cluster müssen nicht immer – vielleicht sogar gerade nicht – verwaltungsseitig bestimmt werden. Auch die Unternehmen selbst, Forschung und Institutionen sind gefragt, sich zu vernetzen und Impulse zu geben.
Ein solches Beispiel ist das Bodensee Innovationscluster Digitaler Wandel (BIC). Ausgehend vom Leadership Excellence Institute der Zeppelin Universität in Friedrichshafen) hat sich eine Wissens- und Vernetzungsplattform für Innovationsmanagement und Digitale Transformation etabliert. „Das BIC versteht sich als Beitrag zu einem funktionierenden Innovations-Ökosystem, das in seiner Konstitution sowohl in der Bodenseeregion als auch europaweit einzigartig ist. Neben gemeinsamer Erarbeitung von Wissen und Best Practices, steht das BIC für die gemeinsame Förderung der Zukunftsfähigkeit der Region“ sagt Prof. Dr. Josef Wieland, Vorsitzender des Kuratoriums und wissenschaftlicher Mentor des Projekts. Gegründet 2018, hat es außerordentlichen Zuspruch des Mittelstandes erhalten und Förderung durch Großunternehmen der Region erfahren. Auf gemeinsamem Weg Richtung Zukunft also.
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